Unser Autor Klaus Brixler radelt in acht Tagen von Innsbruck nach Korsika. Wie es war? Zuerst nass und kalt, dann besser und zuletzt ganz wunderbar.

Klaus Brixler

Klaus Brixler

Den Gedanken hatte ich schon seit einigen Jahren mit mir herumgetragen: Einmal mit dem Rad ans Meer! Nach mehrmonatiger Planung, in der ich verschiedene Varianten gewälzt hatte, entschied ich mich für die Route Innsbruck über den Reschenpass, Stilfser Joch, Comosee nach Genua zur Fähre und schließlich Korsika von Bastia nach Calvi. Um der Radreise noch etwas Glanz zu verleihen, bin ich mit meinem 1960er-Jahre Rih unterwegs – die alte Dame hätte sich auch nicht gedacht, noch mal soweit herumzukommen.

Kälte und Dauerregen

Die Tour am 1. September startet mit dem vorhergesagten Kaltwettereinbruch in Innsbruck. Überraschend schnell gewöhne ich mich an den permanenten Regen. Es geht auf einem hübschen Radweg neben der Eisenbahn bis Landeck, dort biegt die Strecke scharf links ab und mäandert Richtung Reschenpass. Mein Rucksack wird leichter: ich habe mittlerweile fast alles an, weil es ab 1.500 Meter Seehöhe merklich kühler wird. Durchgefroren erreiche ich nach rund 160 Kilometern mit Graun im Vinschgau mein Tagesetappenziel.

Das 1960er-Jahre-Rih auf Korsika; im Hintergrund die Hafenstadt Calvi

Der nächste Tag startet mit einer Hiobsbotschaft: Die Route über das Stilfser Joch ist wegen Schneefalls gesperrt. Ich prüfe am Frühstückstisch Alternativrouten und entscheide mich für den Garda- statt Como-See und eine Route weiter östlich über Mantua. Tagesziel: Trento. Damit ich nicht zwischendurch schwach werde, buche ich vor dem Wegfahren gleich ein Hotel.

Die Route führt mich entlang der Etsch, am Start noch ein kleines Bacherl mit starkem Gefälle. Es geht 1.200 Höhenmeter abwärts. Wäre die Straße nicht vom permanenten Regen so rutschig und meine Finger von der Kälte so klamm, könnte ich den permanenten Schwung so richtig genießen.

In Trento komme ich nach 175 Kilometern wiedermal fröstelnd nach Dauerregen an. Das Zimmer ist – wie ich feststellen muss – 150 Höhenmeter über dem Ort. Dafür erhalte ich im Hotel ein Zimmer-Upgrade, damit „mein Rad auch drin Platz hat“. Auch nicht schlecht.

Jauchegefüllte Betonwanne

Am nächsten Morgen lacht mir erstmals die Sonne entgegen. Ich buche gleich wieder ein Hotel vom Frühstück aus und definiere Mantua als Tagesziel. Nach den Südtiroler Apfelplantagen prägen bald Weinreben die Landschaft.

Am Weg gable ich „Fredo“ auf: Ein schnauzbärtiger Italiener Mitte 50 auf einem ca. gleichalten Mountainbike, der mir den Weg Richtung Gardasee erklärt und mich gleich in seine Windschatten beordert. Er erzählt mir -vermutlich –Anekdoten aus seinem Radfahrerleben. Leider verstehe ich – abseits von meinem Pizzariavokabular – kein Italienisch. Egal. Unsere Wege trennen sich zehn Kilometer vor dem Gardasee.

Als ich das untere Ende des Sees über eine stark befahrene Uferstraße erreiche, habe ich noch 35 Kilometer bis Mantua. Im Luftbild sah das ganze nach einer wildromantischen Fahrt durch die Po-Ebene aus. In Wirklichkeit verlaufen die letzten fünfzehn Kilometer entlang einer 20 Meter breiten jauchefüllten Betonwanne mit so viele Mücken, dass man jede Pause nach wenigen Sekunden beendet. Dafür ist Mantua wunderschön. Was mich aber jetzt weniger interessiert als Pizza und Bett.

Tortona gibt es hier nicht

Für den nächsten Tag behelfe ich mir mit dem Zug bis Codogno, und spare mir so rund 100 Kilometer Po-aufwärts – was dem Plan nach eine Tagestour von 80 Kilometern ergeben sollte. Die ersten Kilometer durch die Poebene laufen perfekt, bis ich an die südlich angrenzende Hügelkette stoße. Weil ich die stark befahrene Bundestraße vermeiden möchte, lasse ich mich zu einer Routenimprovisation hinreißen: Die funktioniert so gut, dass meine Strecke im Innenhof eines Bauerhofes endet. Dort bellt mich der Hofhund von meinem Rad und die Bäuerin erklärt mir, dass hier ganz sicher kein Ort namens Tortona zu finden sei. Ich schaffe es schließlich dennoch zu meinem Tagesziel, wenngleich ich die letzten zehn Kilometer nochmals den Zug nehme, weil mir das Tageslicht abhanden kommt.

Tags drauf stehe ich kurz davor, das Meer zu erreichen. Nur noch der 800 Meter hohe „Passo di Bochetta“ steht dazwischen. Oben angekommen sehe ich erstmals das Meer aufblitzen, da wird man glatt ein wenig sentimental.

Von hier aus geht es nur mehr bergab nach Genua, wo mein Schiff nach Korsika wartet. Im Hafengelände verpacke ich mein Rad für die Überfahrt – mir ist nicht ganz klar wie lackschonend mein Rih an Bord behandelt wird.

Am letzten Tag bin ich auf Korsika unterwegs: über Saint Florent radle ich nach Calvi. Ich bin fasziniert vor allem wie dramatisch sich das Verhalten der Autofahrenden auf Korsika ändert: Einer davon bremst sich neben mir auf der Bergstraße ein, um mir „Bon courage!“ zuzurufen.

Unterwegs in Frankreich

Unterwegs in Frankreich. Wenn das Schild nicht der ultimative Beweis ist…

Allein auf Korsikas Landstraßen: 10 km vor dem Ziel

In meiner Unterkunft in Calvi wird mir langsam bewusst, wie vielfältig Land und Leute, aber auch die klimatischen Bedingungen während der Reise waren. Von knapp fünf Grad in Südtirol bis zu fast 30 Grad an der korsischen Küste.

Kaum wieder daheim beginne ich bereits, die nächste Tour zu planen. Diesmal von der Haustür weg, gleich aufs Rad – ganz ohne Zugstrecken und nur mit Muskelkraft.