„Bike & Hike“ ist, was der Name besagt – und eigentlich „eh klar“. Falsch! Tourismusregionen erkennen gerade, dass viele Gäste erst mit solchen Angeboten überlegen, das Auto stehen zu lassen

REISENDE: Jakob Pühringer & Judi König
TEXT: Jakob Pühringer
FOTOS: Judi König

Meine Uhr hat das Konzept vermutlich noch nicht ganz verstanden: „Bewegen Sie sich für die Richtungsanzeige“ steht auf dem Display. Das ist einigermaßen erniedrigend: gemeinsam mit meiner Freundin Judi König bin ich schließlich schon seit einiger Zeit in Bewegung: Wir wandern – und zwar Richtung Kleiner Pyhrgas in den Ennstaler Alpen. Eine beliebte Route in der Region Pyhrn-Priel, im südlichen Oberösterreich. Was meine Uhr nicht versteht: Dass ich mich anders bewege als kurz zuvor. Langsamer. Vermutlich zu langsam für die Uhr. Die glaubt wohl, dass wir immer noch auf den geliehenen E-Mountainbikes unterwegs sind. Dabei stehen die längst sicher geparkt an der „Wechselstation“, der „Jausnstub’n Singerskogel“: Statt auf zwei Rädern geht es ab dort nämlich auf zwei Beinen weiter.

Tatsächlich: Erklärungsbedarf!

am „Seeblick“

Die Räder warteten unten: Gipfelpanorama vom „Seeblick“

Und das ist das Konzept, dem wir hier folgen. Sein Name beschreibt genau, was es ist und was wir tun: „Bike & Hike“ – wir kombinieren Radfahren und Wandern. Und obwohl das im Grunde sehr schlicht und einfach klingt, muss man die Idee dahinter nicht nur meiner Uhr, sondern auch vielen Urlauberinnen und Urlaubern wohl noch näher bringen.

Die Region Pyhrn-Priel tut das – und lud dazu ein, Ende Juni nicht nur per Bahn anzureisen, sondern dann auch ein paar Tage lang mit dem Rad zum Wandern zu fahren. Dafür wurden von der regionalen Tourismusorganisation zum Einen bestehende Rad- und Wanderrouten kombiniert und um „Wechselstationen“ ergänzt. An diesen gibt es meist Verpflegung für die Rast vor oder nach der Wanderung. Zum Anderen werden die von den meisten Gästen „klassisch“ mit dem Auto angefahrenen Wander-Startplätze aktiv als mit dem Rad erreichbar kommuniziert. Über all das gibt eine eigene Rad- & Wanderkarte einen guten Überblick und zeigt alle Kombi-Routen und Stationen in der Region.

Klingt banal, hat aber Mehrwert

Farn mit Fahrrad-Figur

Flotte Flora: Fahrrad-Farn 😉

Was vermeintlich banal ist, hat und bringt aber spürbaren Mehrwert. Für alle: Nicht nur, weil man sich so mitunter auch langwierige „Hatscher“ bis zum eigentlichen Start einer schönen Wandertour erspart, sondern auch weil weniger Zu- und Abfahrtsverkehr ein Stück gelebter Umwelt- und Naturschutz ist. Auch, weil für viele Gäste das Naturerlebnis so schon am Weg zur Wanderung beginnt. Aber auch für die Region: Man kann ein bisserl mehr anbieten.

Klar: Einen Benefit für den Alltagsradverkehr vor Ort gibt es dadurch nicht – denn neue Radwege wurden (bislang) deshalb keine errichtet. Erwähnenswert ist aber, dass so auch keine Konflikte durch das Erschließen neuer MTB-Routen im Wald entstanden: Sämtliche Wanderungen und Rad-Zufahrten (aber auch die Parkplätze) gab es bereits. Bike & Hike verändert aber Perspektiven: Das Auto ist allein durch den Hinweis auf diese Möglichkeit für viele Gäste plötzlich kein unabdingbares „Muss“ mehr, um überhaupt ans Wandern denken zu können.

Altes Konzept, neu entdeckt.

Wirklich neu ist das natürlich nicht. Aber oftmals eben vergessen: Bereits vor 100 Jahren wählten Bergsportler und (damals noch deutlich weniger) Bergsportlerinnen oft das Rad, um Zeit und Energie beim Zustieg zur Tour zu sparen. Mit der Erschließung der Wandergebiete durch Straßen bis zum „Wanderparkplatz“ wurde diese Art der Anreise aber verdrängt: Sie geriet tatsächlich in Vergessenheit.

Doch in Zeiten von Klimawandel und steigendem Umweltbewusstsein ändert sich auch das Mobilitätsverhalten im Alpinsport: Der Österreichische Alpenverein etwa bietet längst Sammlungen von Touren, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind. Die „letzte Meile“ vom Bahnhof oder Hotel dann mit dem Fahrrad zurückzulegen, ist die logische Folge. Und hat Potenzial.

Fade „Talhatscher“ werden kürzer

Parkende Fahrräder

Laden und Jausnen bei der „Jausnstub’n Singerskogel“

„Wir begrüßen die sportartübergreifende Nutzung des MTBs: Die langen „Talhatscher“ können abgekürzt werden und Touren werden familienfreundlicher“, betont Rene Sendlhofer-Schag, der Mountainbike-Referent des Österreichischen Alpenvereins. „Was in Österreich fehlt, ist die notwendige legale Infrastruktur für derartige Unternehmungen: Wenn wir flächendeckend attraktive, zeitgemäße und legale MTB-Routen haben, sind wir überzeugt, dass Bergsportlerinnen und Bergsportler die Anreise vermehrt ohne Auto zurücklegen werden.“

Pyhrn-Priel, unsere Gastgeberregion, setzt die dafür nötigen Schritte – und ist sich der Vorreiterrolle bewusst: Bei unserer ersten Tour („Bike“ von Windischgarsten bis Singerskogel, dann „Hike“ auf die Gowilalm) waren wir die ersten an der Wechselstation „Jausnstub’n Singerskogel“. Die Wirtsleute bestätigten: Wir waren auch die einzigen. „Gäste kommen ausschließlich zum Wandern oder zum Radfahren.“ Bei unseren weiteren Touren war es nicht anders.

Dass es da noch viel „Luft nach oben“ gibt, bestätigt Julia Grabner vom Tourismusverband Pyhrn-Priel. Neben dem Ansprechen neuer Zielgruppen gehe es aber auch um „handfeste“ und ökologische Argumente und Verkehrsplanung, konkret um Parkplatzentlastung an Wander-Ausgangspunkten und Verkehrsreduktion: „Wir helfen dabei, Urlaub vom Auto zu machen und dabei die Region viel intensiver zu erleben als vom Auto aus“.

Freilich: Auch anderswo hat man „Bike & Hike“ schon entdeckt: Im Ziller- und Ötztal etwa. Oder der Region Schladming. Und mancherorts in der Schweiz. Der übrige Alpenraum hätte enormes Potenzial, konkrete Angebote suchten wir aber vergebens.

Was uns in „unserer“ Region aber auch auffiel: Viele Rad-Anfahrten zu Wander-Startorten führen laut Routenplan über Haupt- und Landstraßen. Wir fanden aber fast immer ruhige Güter- und Nebenwege – mit wenig bis keinem Autoverkehr. Wobei: bei unseren (wenigen) Ausflügen in den Mischverkehr wurden wir durchaus positiv überrascht: Überholabstände wurden weit besser eingehalten, als wir es aus Wien gewohnt sind. Vielleicht lag das auch an den hier häufig zu findenden Hinweistafeln („Abstand halten“; „Achtung Radfahrer“): Derlei haben wir in Wien noch nie gesehen.

Eine klare Empfehlung

Jakob Pühringer & Judi König

Die Kappe! Die Kappe! Weil Details wichtig sind.

Unser Fazit: Eine klare Empfehlung, dieses Konzept auszuprobieren – oder anzubieten. „Bike & Hike“ erleichtert die Vorbereitung und die Tourenauswahl. Es vergrößert die Reichweite, intensiviert das Naturerlebnis „ab Hotel“, macht Gegend „erlebbarer“, verkürzt „Talhatscher“ – und reduziert Auto-Verkehr. Aber vor allem: Es zeigt, dass Wanderurlaub ohne Auto möglich ist, Und irgendwann versteht das dann hoffentlich auch meine Uhr.

Compliancehinweis
Die Reise war eine Einladung des Tourismusverbandes Pyhrn/Priel ins „Hotel Lavendel“ („Ein superschöner Wellnessbereich und Naturpool, das muss bitte irgendwo noch angemerkt werden!“ J. Pühringer).
Bikes, Helme & und Zubehör wurden ebenfalls zur Verfügung gestellt.

www.urlaubsregion-pyhrn-priel.at

Zahlen zu Bike & Hike in der Region Pyhrn-Priel
19 Kombirouten aus bestehenden Rad- und Wanderrouten gibt es derzeit.
10 Wechselstationen mit Radständern und Infotafeln findet man an Wander-Startpunkten.
9 mit gratis Lademöglichkeit.

Autolose Erreichbarkeit
Nach Windischgarsten fährt von Linz ein IC-Direktzug oder der REX4 mit Radabteil (24 Steh- und 7 Hängeplätze), von Graz der IC-Direkt mit Umsteigeoption zum REX4 in Selzthal.