Kleidung, mit der man bequem Rad fahren kann, aber auch am Arbeitsplatz nicht auffällt? Gibt es – dank moderner Materialien und spezieller Schnitte.

Text: Hildegard Suntinger, Fotos: Agogic, Amity, Leonhard Hilzensauer/Nouw.

Auch wenn der Dresscode heute schon viel lockerer ist als früher und Anzug mit Krawatte oder Kostüm mit Pumps nur noch in wenigen Berufen nötig sind: Im neongrünen Radtrikot oder im pinkfarbenen Fleecepullover im Büro sitzen, das wollen die meisten nun doch nicht. Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, hat also oft ein Garderobeproblem. Deshalb nehmen sich die einen Umziehsachen mit und die anderen nehmen lieber gleich den öffentlichen Verkehr. Beides muss aber nicht sein. Denn es gibt sie schon – Kleidung, die bürotauglich und fahrradgerecht ist. Noch nicht an jeder Ecke, aber wer online sucht, wird schnell fündig.

In den letzten Jahren haben viele Sportmarken ihre Sortimente in Richtung funktionelle Kleidung für den Alltag erweitert. Damit erschließt sich eine neue Quelle für Kleidung, die Bewegungsfreiheit bietet und wind- und wasserabweisend sowie atmungsaktiv (WWA) ist. Letzteres verhindert, dass man durchfroren oder von Regen oder Schweiß durchnässt im Büro ankommt. Ein Blick in die Sortimente kann sich lohnen – aber spezifische Probleme von Radfahrenden werden darin nicht gelöst. Eine entsprechende Kompetenz findet man bei den Spezialist*innen.

Kein Frieren am Rücken

Wirklich funktionelle Radfahrkleidung gleicht die sitzende Position am Fahrrad aus und gibt Bewegungsfreiheit. Beides kann von entsprechenden Schnitten und Details geleistet werden.

So brauchen zum Beispiel Jacken mehr Weite im Schulter- und Armbereich, längere Ärmel und ein längeres Rückenteil. Bei Hosen ist ein elastischer oder verstellbarer Hosenbund nötig, der hinten etwas höher geschnitten ist. Im Zusammenspiel stellen Hose und Jacke so sicher, dass der Rücken stets bedeckt ist. Um ein Reißen der Schrittnaht zu verhindern, brauchen Hosen außerdem ausreichend Weite im Hüftbereich oder einen Zwickel im Schritt.

Last but not least können Reflektoren die Sichtbarkeit im Dunkeln verbessern. Bei Hosen können diese im inneren Saum angebracht werden, sodass sie erst durch Umschlagen des Hosensaums in Erscheinung treten.

Fasermischungen und Materialzonen

Das größte Angebot an bürotauglicher Fahrradkleidung gibt es im Hosenbereich, der sich auf Jeans und Chinos konzentriert. Wichtig für die Funktion ist hier die Materialmischung. Baumwolle vermittelt ein angenehmes Tragegefühl, hat aber eine hohe Wasseraufnahmefähigkeit und trocknet langsam. Ein Nachteil, den Hersteller durch Fasermischungen und Beschichtungen ausgleichen wollen. Das kanadische Label DU/ER zum Beispiel mischt Baumwolldenim 30 Prozent technisches Polyester bei, das keine Feuchtigkeit aufnimmt. Ein Laminat an der Innenseite der Jeans schützt vor Wind und Regen.

Im Vergleich zu Baumwolle sind Kunstfasern von vornherein wasserabweisend und trocknen relativ schnell. Meist auf Polyamid basierend, können ihnen durch technische Behandlungen noch weitere Funktionen hinzugefügt werden. Ein Beispiel dafür ist das Material Softshell, das über WWA hinaus auch noch wärmt und über ein breites Temperaturspektrum getragen werden kann. Der Hersteller Vaude hat es etwa bei Damenhosen eingesetzt und zusätzlich noch unterschiedliche Materialzonen eingearbeitet. Dadurch ist das Vorderteil der Hose winddicht und das Rückenteil wärmend und klimaregulierend.

Bei Hemden und Blusen steht die Temperaturregulierung im Vordergrund. Die Firma Katusha Sports hat etwa eine Fasertechnologie entwickelt, die auf 72 Prozent Baumwolle basiert und eine konstante Körpertemperatur von 37,5 Grad verspricht. So wird die Energieleistung des Körpers nicht zur Kühlung benötigt, sondern kann voll in die Aktivität fließen.

Um Jacken WWA-Funktionen zu verleihen, greifen umweltbewusste Hersteller oft auf EtaProof zurück, ein gewachstes Baumwollgewebe, das schon vor 80 Jahren für Militäruniformen verwendet wurde und weitgehend natürlich temperaturregulierend ist. Der wasserabweisende Effekt entsteht durch die dicht gewebten Fasern, die bei Feuchtigkeit aufquellen und sich dabei noch stärker verdichten. Das deutsche Label Amity näht aus EtaProof formelle, aber fahrradtaugliche Sakkos und Blazer. Ein Beispiel ist das „Shooting Jacket“, das mit einem per Knopf zu schließenden Revers den Fahrtwind abhält. Zwei per Zipp zu öffnende Bewegungsschlitze im oberen Rücken ermöglichen es, Bewegungsfreiheit und einen guten Sitz zu vereinbaren.

Aufgrund neuer Materialtechnologien kann man auch im Winter mit zwei statt den klassischen drei Lagen auskommen: Das Wiener Label Nouw hat zum Beispiel eine Softshell-Jacke entwickelt, bei der die wärmenden Eigenschaften mit Merinofutter verstärkt werden. Dadurch kann diese auch bei kalten Temperaturen direkt über dem Hemd getragen werden.

Einen eleganten Regenschutz mit geringem Packvolumen hat das italienische Label Agogic entwickelt: Mit einer Wassersäule von 8.000 mm und geklebten Nähten hält der moderne Trenchcoat selbst bei heftigeren Niederschlägen auf dem Weg zur Arbeit trocken. Er ist aus recyceltem Meeresplastik hergestellt und durch seine Widerstandsfähigkeit sehr langlebig.

 

Herstellertipps

> Einen guten Überblick bietet der deutsche Onlineshop Paul Prediger

Hosen: Alberto, DU/ER, Jürgen Brand, Outlier, POC, Sigr, Vaude (Damen), Zimtstern
Hemden: Pure, Jürgen Brand, Katusha Sports, Vaude
Blusen: Pure, Vaude
Sakkos, Blazer: Amity, Jürgen Brand
Merinoteile und Unterwäsche: Icebreaker, Outlier, Super Natural
Trenchcoats/Regenmäntel: Agogic, Amity, Basil, Nouw

 


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