Mit der Elternschaft wird alles anders. Nur am Verkehrsmittel muss sich nichts ändern. Mit etwas Planung ist das Fahrrad das perfekte Familienverkehrsmittel.

Matthias Bernold, Chefredakteur

Es ist eine ebenso abgedroschene wie wahre Aussage: „Mit einem Kind verändert sich alles.“ Wie bei allen Bereichen des Lebens gilt das auch für das Radfahren. Gerade war man noch unbeschwert durch die Stadt gesurft, Wind im Haar und die Bewegung genießend. Setzen mit dem Spross im Gepäck ernstere Gedanken ein: Wie soll ich den kleinen Menschen transportieren? Wie soll ich ihn anziehen, damit ihm nicht kalt wird? Wenn ich ihn überreden muss, dass er einen Helm trägt, soll ich dann – der Vorbildwirkung wegen – auch einen aufsetzen?

Zu all diesen Fragen kommt der erhöhte Zeitaufwand. War es früher eine Sache von ein paar Sekunden, das Rad zu schnappen und mich in den Verkehrsalltag zu werfen, ist nun der logistische Aufwand höher. Der kleine Kerl muss in den Anhänger, der Anhänger muss aus dem Kinderwagenraum im Halbstock runter auf die Straße. Das Rad hingegen aus dem Keller geholt werden. Es sind nur wenige Handgriffe und man gewöhnt sich daran: Aber das Ineinanderstecken der Kupplungsteile will gelernt sein. Unter klammen Fingern klemmt mitunter ein Plastikteil. Der Kleine will losfahren und wird ungeduldig. Usw. usf.

Was sich massiv ändert: Der Blick auf Wege und das, was man als angenehm empfindet. War man lange von den Qualitäten der Radinfrastruktur unbeeindruckt – gab es eine brauchbare, gut; gab es die nicht, fuhr man eben auf der Fahrbahn – sieht jetzt die Sache anders aus. Auf einem schmalen Mehrzweckstreifen zwischen potenziell doorend Parkenden auf der einen und stinkend Stauenden auf der anderen Seite: Dort will ich mit Anhänger jetzt nicht mehr fahren. In einer Tempo-30-Zone von einem Rücksichtlosen angehupt werden, der einige Augenblicke nicht überholen kann: unangenehmer als sonst: soll ich ihn zur Rede stellen und mich – mit dem Kind im Anhänger oder Transportrad – auf eine minutenlange und in der Regel fruchtlose Diskussion einlassen? Will ich, dass mein SOhn zusieht, wie ich in eine Rauferei gerate?

Existenz hochqualititativer Radinfrastruktur ist entscheidend

Die meisten, die Eltern werden, sind ab diesem Zeitpunkt defensiver als zuvor unterwegs. Sie nehmen für mehr Sicherheit und bessere Luft auch Umwege in Kauf. Sie bemerken plötzlich, wie wichtig die Existenz von hochqualitativer Radinfrastruktur ist. Damit unsere Kinder von Klein auf die Vorzüge und die Freude kennenlernen, die mit dem Radfahren verbunden sind, braucht es den vernünftigen und unerschütterliche Einsatz für die stete Verbesserung des Wegenetzes und für menschengerechte Straßen.

Lassen wir uns aber vor allen Dingen nicht die Freude am Radfahren verderben. Frühling steht vor der Tür. Es ist bald wieder Zeit für In-der-Wiese-sitzen, für Ausflüge zum Picknicken, für Radreisen mit Zelt und all die guten und schönen Dinge, die in der warmen Jahreszeit besonders viel Spaß machen. Auch mit Kind übrigens. Wollen wir Radfahren, Bub? „Ja, Papa!!! Radfahren!“

Mahalo! *

*weil ein Leser nachgefragt hat: Das hawaiianische Grußwort Mahalo bedeutet so etwas wie Dankbarkeit, Wertschätzung und respektvolle Grüße.