Anhänger, Kindersitz oder doch ein Transportrad? Wir stellen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme für den Kleinkind-Transport auf dem Fahrrad vor. Und: Drahtesel-Autorinnen und -Autoren berichten aus ihrem Eltern-Alltag.

In der Cover-Story für DRAHTESEL 19/1 liefern wir im ersten Teil einen Überblick über die verschiedenen Systeme für den Kleinkind-Transport. Im zweiten Teil kommen radelnde Eltern zu Wort. Rechtsfragen zum Thema Kleinkind-Transport beantwortet unser Rechtskolumnist Johannes Pepelnik in diesem Beitrag. In DRAHTESEL 14/2 haben wir in einem Schwerpunkt einige Transporträder ausführlich getestet: Der Link dazu findet sich hier.

 

TEIL I: Die verschiedenen Transportsysteme für Kleinkinder

Für die meisten Menschen beginnt mit der Elternschaft ein neues Leben. Vieles (wenn nicht alles :), das früher einfach und problemlos war, ist – mit Nachwuchs deutlich komplizierter. Abends Fortgehen zum Beispiel, Freunde treffen oder so simple Dinge wie Ausschlafen: mit den kleinen Mitbewohnern sind derlei Freuden nicht mehr ohne weiteres zu haben. Das gleiche gilt für das Radfahren. Einfach nur einmal so in den Sattel steigen, Hosenbein hochkrempeln und losfahren: diese Tage liegen in der Vergangenheit.

Jetzt die gute Nachricht: mit etwas Vorbereitung lassen sich Kleinkinder und sogar Neugeborene sehr gut auf dem Fahrrad mitnehmen. Und auch das ganze Drumherum – Windeln, Spielzeug, Extra-Gewand, Verpflegung – findet auf dem Fahrrad ausreichend Platz.

Allerdings ist die Zahl der Optionen anfangs etwas verwirrend. Wir wollen deshalb einen Überblick über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Transportsysteme für Kleindkinder geben. Dazu liefern wir einige Erfahrungsberichte von Eltern.

Option 1: der Anhänger

Wer ein Neugeborenes im Alter von bis zu einem Jahr transportiert, für den ist dies die beste und wahrscheinlich einzige Option. Kombiniert mit einer Baby-Hängematte, reiten Sohn oder Tochter wie auf Wolken durch die Stadt. Durch den Überrollbügel aus Aluminium, Sicherheitsgurte und – gegebenenfalls – die Hängematte stimmen Komfort und Sicherheit.

Qualitäts-Anhänger haben außerdem ein Federungssystem, das an das Gewicht des kleinen Fahrgastes angepasst werden kann.

Weitere Vorteile: Im Anhänger ist Platz, um Einkäufe und Kinderzubehör wie Trinkflaschen, Picknick-Decke und Windelarsenal unterzubringen. Das Kind ist bestens von Wind, Wetter und Sonneneinstrahlung abgeschirmt. Und: Einschlafen ist kein Problem, hier kippt keine Halswirbelsäule gesundheitsschädlich auf die Seite.

Nachteil: Der Anhänger braucht mehr Platz und Zeit als ein Kindersitz auf dem Fahrrad. Für Ausfahrten muss er ans Rad gekoppelt werden. (Geübte brauchen hierzu maximal fünf Minuten.)

+ Leicht auseinander genommen
+ Baby Schlaffaktor: 100 Prozent
+ Sicherheit
+ Erlaubt Transport von Babys

– Nimmt mehr Platz ein
– Benötigt beim Fahren ein wenig Übung
– Teuer in der Anschaffung
– Kein Augenkontakt

 

Option 2: Kindersitze

Einerseits sind die Kindersitze praktisch: sie ermöglichen die Nutzung des eigenen Fahrrades ohne großes Gschistgschasti. Andererseits haben die Kindersitze Nachteile bei der Sicherheit: Im Falle eines Sturzes stürzen Elternteil und Kind. Durch den hohen Schwerpunkt wird das ganze außerdem kippelig. Standard-Seitenständer plus hoher Schwerpunkt ist eine äußerst unsicher Kombination.

Diese Gefährlichkeit dieser Transportlösung, selbst ohne Fremdeinwirkung, steht übrigens in Gegensatz zur subjektiven Wahrnehmung der meisten Fahrrad-Anfänger-Eltern: Die denken oft, sie würden dadurch die Sicherheit erhöhen, dass der Nachwuchs gleich hinter ihnen sitzt.

Letzter Gedanke: Wenn die Kinder auf dem Kindersitz einschlafen (was häufig bereits nach wenigen Minuten passiert), hängen sie in einigen Sitzmodellen in einer äußerst unangenehmen Position auf die Seite.

+ Problemlose Kombination mit U-Bahn oder Zug
+ Preisgünstige Option
+ Spart Platz im Fahrradraum
+ Kind ist nah
– Hoher Schwerpunkt
– Beim Abstellen: Neigt zum Umkippen
– Stürzt der Fahrer, stürzt auch der Passagier
– Nicht ideal, wenn das Kind einschläft

Option 3: Transporträder

Bei Transporträdern wird es schnell unübersichtlich. Das liegt daran, dass heute viele Hersteller Transporträder anbieten, die für den Kindertransport optimiert sind. Die Räder gibt es in vielen Varianten – etwa als einspurige oder mehrspurige Modelle. Je nach Modell sitzen die Kinder vor oder hinter der Fahrerin bzw. dem Fahrern. Wenn die Kinder vorne sitzen, dann meistens in einer Transportkiste auf Kindersitzen. Welches Modell zu einem passt, lässt sich nur durch eine Testfahrt ermitteln. Zum Beispiel beim Argus-Bike Festival am letzten März-Wochenende.

Lastenräder machen es möglich, gleich mehrere junge Passagiere zu befördern. Außerdem gibt es regelmäßig die Option, die Lastenräder mit E-Antrieb auszustatten. Wer im Alltag Hügel zu bewältigen hat, wird dies zu schätzen wissen. Einen Überblick über die verschiedenen Typen von Lastenrädern und deren Besonderheiten findet sich hier.

+ Bessere Handhabung als der Anhänger
+ Kinder sind näher am Fahrer, was die Kommunikation erleichtert
+ Einige Cargobikes bieten Platz für bis zu drei kleine Passagiere
+ mehr Fahrspaß
+ Viel Platz für andere Fracht- und Einkaufsartikel

– Ein Problem bei den meisten Lastenräder: sie sind zu groß, um sie mit U-Bahn oder Zug zu kombinieren
– Teurer als die anderen Varianten
– Braucht sicheren Stellplatz

 

TEIL II: Erfahrungsberichte von Eltern:

Familie Renner nutzt seit vielen Jahren ein Transportrad

Mobiles Quartett

Es ändert sich so vieles, wenn Kinder in die Welt kommen. Aber nicht, was die Mobilität betrifft: Mit einem Familienrad ist man vom ersten Tag an unterwegs – bzw. sobald frau sich dazu wieder in der Lage fühlt…

Als wir vor einigen Jahren mit unserem Bakfiets-Lastenrad aus Belgien zurück nach Wien gekommen sind, wurden wir oft auf der Straße angesprochen, ob wir das Rad selber gebaut hätten. Haben wir nicht, war unsere Antwort, kann man kaufen.

Und es war die Investition wert: Wir nehmen den Picknick-Korb, die Kinder, und sind im Nu im Wald. Wir bleiben aktiv und sparen uns die Zeit (und das Geld) fürs Fitnessstudio. Wir sind sicher unterwegs, weil wir unsere Kinder im Blick haben, defensiv fahren und trotzdem schneller als im Auto sind. Außerdem ist es günstig. Ein Pkw kostet hundert Euro in der Woche. Das glauben manche nicht, bestätigen aber sogar die Autoclubs! Ein wirklich schönes elektrisches Familienrad ist dagegen sehr wertstabil und kostet mit allen Nebenkosten nur etwa 15 Euro in der Woche, also rund zwei Euro am Tag.

Ganz klar, ein Lastenrad ist kein Leichtgewicht. Doch das Balancehalten erlernt jede gleich beim ersten Ausprobieren, schwere Lasten wie der Wocheneinkauf stabilisieren noch zusätzlich, und das Fahren mit Motor geht auch schnell ins Gefühl über.

Für uns ist jedenfalls ein Leben ohne Lastenrad nur schwer vorstellbar. Auch größere Kinder wollen oft noch gebracht werden, zum Geburtstagsfest oder zum Hockey. Die Einkaufsmengen werden auf absehbare Zeit nicht weniger. Dass Fahrradfahren gut für die Umwelt ist, ist ein angenehmer Nebeneffekt. In erster Linie vereinfacht ein Familienrad aber unser Leben. Und es macht Spaß, den Kindern beim Mitfahren – und uns beim Radeln.

Katharina und Stephan Renner haben vier Kinder und betreiben den Blog Familienrad.at, der sich mit aktiver Familienlogistik beschäftigt. Um noch aktiver sein und auch Projekte umsetzen zu können, organisieren sie sich jetzt einen Verein. Stephan Renner war auch Gast in unserem Podcast ReichdurchRadeln: Hier geht es zum Interview.

 

Auf dem Weg in den Kreißsaal: Aglaia und Eric Poscher-Mika

Mit Wehen im Bakfiets

Wenige pflegen einen Fahrrad-zentrierten Lebensstil in dieser Konsequenz: Unsere Autorin fuhr bereits zur Entbindung im Lastenrad: In der Transportkiste eines Bakfiets.

Man könnte fast sagen, dass unser Sohn in den Sattel geboren wurde. ☺ Schon die Fahrt in den Kreißsaal legten wir spätabends im Bakfiets zurück: Mama konnte sich mit den Wehen in die Transport-Kiste knien, Papa ist geradelt und hat Fotos gemacht. Wenige Tage später ging es dann zum ersten Mal zu dritt nach Hause, mit Babyschale, Mama in der Kiste auf der Sitzbank – die war erstaunlich bequem)trotz Sack und Pack!

Was mir schon Wochen vorher immer wieder Sorgen bereitet hatte – ich hatte mich gefragt, ob so eine Fahrt so kurz nach der Entbindung für Mama und Baby gut gehen kann – owurde eine sehr beglückende Radfahrt in der Abendsonne den Fluss entlang. Der Neugeborene schlief während der Fahrt sogar ein. Wir haben natürlich die verkehrsärmste Route gewählt, und Papa ist so vorsichtig gefahren, dass es möglichst keine Erschütterung gab.

Radeln mit Baby

Außer Stillen oder Tragen (oder am besten beides in der Kombination „Mama to go“) gibt es etwas, das so gut wie immer beruhigt: Losfahren! Gelegentlich ist die Laune vorher nicht so gut und beim Anschnallen in der Babyschale wird noch gemeckert. Doch sobald sich das Rad bewegt, verfliegt die üble Stimmung, wir machen eine Spieluhr an oder der Kleine singt mit dem E-Antrieb mit.

Es ist schön, das Baby vor sich zu haben, und gut für die Kommunikation. Ich selbst habe Bakfiets, das Circe Stufen-Tandem mit Babyschalenhalter und das Urban Arrow mit Hängematte probiert. Hat eigentlich alles funktioniert: Hauptsache das Kind ist vor mir, ich sehe mit einem Blick, ob es schläft – was bei den Neugeborenen während des Radelns meistens der Fall ist – , kann an der Ampel schnell das Häubchen zurecht rücken, falls dieses ins Gesicht gerutscht ist, oder es mit lebhafter Kommunikation bei Laune halten – oft zum Amusement derer, die uns entgegenkommen 😉
Erwidert man den fragenden Blick eines wenige Monate alten Passagiers mit einem Lächeln, wird dieses erwidert. Ohne Blickkontakt würde es des öfteren zu weinen anfangen, denn ein Baby in diesem Alter gerät leicht in Panik, wenn die Bezugsperson nicht in Sichtweite ist.

Sehr schnell gewöhnt man sich an das Fahrgefühl mit einem Lastenrad, das vorne etwas länger ist. Einen Anhänger würde ich nicht fahren wollen, weil mir da das Kind zu weit weg ist. Seinen größten Schatz will man nahe bei sich haben, und nicht unnötig den Gefahren des Autoverkehrs aussetzen. Ich kann das Lastenrad für diese Lebensphase nur empfehlen und freue mich schon darauf, wenn unser Sohn bald selbst ein- und ausklettern kann.

Aglaia und Eric Poscher-Mika setzen seit vielen Jahren auf Fahrrad-Mobilität. Daran änderte sich auch mit der Geburt ihres Kindes nichts. Eric ist Autor des Buchs Cargobike Boom. Er war außerdem Gast in unserem Fahrrad-Podcast ReichdurchRadeln. Zum Podcast-Interview mit ihm geht es hier.

Jetzt fehlt nur noch der Kindersitz: Dann ist das Yuba für den Kindertransport bereit

Lastenradspaß mit dem großen Grünen

Longtail-Lastenräder wie das Yuba sind ein guter Kompromiss aus Ladekapazität und Handling. Den Kindern gefällt’s.

Es kam wie es kommen musste: Das alte Radl war nicht stabil genug, um eine mittelgeschickte Person, ein zappeliges Kleinkind und einen Haufen Sandspielkram sicher auf den Spielplatz zu befördern. Die Faulheit war aber auch zur groß, um das ganze Zeug per pedes mitzuschleppen, zumal sich das zappelige Kleinkind auch häufig in ein müdes Trag-mich-heim-Kind verwandelt.

Ein neues Radl musste also her: Stabil sollte es sein, viel Platz sollte es haben, gemütlich zu fahren sollte es sein und –darüber hinaus – aus einem tiefen Kellerloch heraustragbar. Das alles eben, wie gesagt, für eine mittelgeschickte Person mit Kleinkind, das so gerne mithilft. Die Wahl fiel auf ein Yuba Boda Boda, das Gewicht ist gerade noch im Rahmen, und auch sonst erfüllt es alle Kriterien. Als Bonus ist es auch noch grün!

Mit einem überdimensionalen Frontkorb ausgestattet, transportiert der neue, treue Lastesel alles– von Bällen, über Sandspielzeug und Verpflegung für einen ganzen Sonnentag im Park. Der Kindersitz ist fest mit dem extralangen Gepäckträger verbunden, so bringt das aufgeregte Zappeln ob eines vorbeilaufenden Hundes zum Beispiel nicht mehr das ganze Gefährt zum Schwanken.

Auch für die kleinen Fahrgäste scheint es bequem zu sein: immerhin streiten Tochter und Neffe regelmäßig, wer jetzt auf dem grünen Yuba mitfahren darf und wer im verwandtschaftlichen Bullitt in der Kiste sitzen muss.

So fahre ich nun mit meinem Lastenrad durch Wien. Die beeindruckende Breite des Gefährts macht es auf den schmalen Mehrzweckstreifen zwar nicht immer lustig, aber ob des massiven Aussehens scheinen Autofahrende einen etwas größeren Bogen um das große Grüne zu machen. So ist es für mich die ideale Mittellösung zwischen normalem Rad mit Kindersitz und Kistenlastenrad.

Katharina Dablumes und ihre Tochter Mathilda sind Yuba-Fans: Das verlängerte Heck bietet ausreichend Platz für Kindersitz und Packtaschen. “Darüber hinaus ist es auch aus einem tiefen Kellerloch heraustragbar”

 

 

Dackel-Dame Tina zieht sich unter das Regendach der Kinderkutsche zurück

 

Für alles samt Dackel-Dame

Mit Kindern, Badezeug und Hund an die Alte Donau und dort einen Tag verbringen: Mit der Kinderkutsche kein Problem.

Wir fahren gerne mit unserer Kinderkutsche überall hin. Und nehmen gerne alles mit. Die Dackeline sitzt vorne und lässt die Ohren im Wind flattern. Jede verdächtige Bewegung am Wegesrand wird gemeldet. Dann kommen jede Menge Sachen, die man unterwegs braucht. Je nach Jahreszeit Decken und Handtücher, Proviantkorb, Bastelzeug, Lautsprecher, iPods und iPads, Schreibzeug, Schere und Papier, Badeanzüge, Sonnencremes. Die Kinder sitzen auf der Sitzbank und haben so viel zu besprechen, dass die Fahrt aus dem Zweiten zur Alten Donau viel zu kurz für alles Wichtige ist. Es ist heiß, das Sonnendach hilft nicht wirklich gegen diese Affenhitze. Die Kinderkutsche wird ganz nah am Wasser geparkt und bildet einen Sichtschutz beim Umziehen. Alle nehmen ein Bad, inklusive Dackeline. Die Stunden vergehen, es wird noch heißer. Der Hund ist verschwunden. „Tina, Tina!“ rufen wir in die Wiese. Hinter uns raschelt es. Tina streckt die Schnauze unter der Kinderkutsche hervor und lässt uns wissen, dass sie hier bleibt bis zum Abend. Unter ihrem Schattendach. Ein gescheiter Hund. Und eine gescheite Anschaffung.

Christine Nouikat betreibt in Wien ein Geschäft für Kindertransporträder und Fahrradzubehör in Wien.