Mögen Sie Fechten? Ich schon. Ich habe zwar keine Ahnung von Florett und Degen, aber Dynamik, Präzision und Eleganz des Sportfechtens faszinieren mich ebenso wie die Chancen- und Waffengleichheit im Wettkampf: Geschützt tritt man einander gegenüber. Ficht nach klaren Regeln mit formvollendeten, schnellen Bewegungen – bis es einen Treffer gibt: „Touché!“.

„Touché“ klingt elegant, fair und ritterlich. Denn „touché“ ist kein Übergriff. Es kommt nicht aus dem Nichts. Sport ist nicht bösartig: Man will siegen, nicht vernichten. „Touché“ sagt im Diskurs, wer den Punkt des Gegenübers anerkennt. „Touché“ ist der verletzungsfreie Treffer. Denn „toucher“ heißt „berühren“: Knapp mehr als Streifen, nicht einmal ein Schubser. „Toucher“ kann passieren: „’tschuldigung“– fertig.

Umso heftiger traf mich Anfang Mai daher eine Unfallmeldung der Landespolizeidirektion Niederösterreich. Viele Online-Medien übernahmen sie wörtlich. Es ging um einen Fahrradunfall. „Ein bislang unbekanntes Fahrzeug soll die Radfahrerin touchiert haben,“ stand da. „Touchiert.“ Wörtlich. Bloß hatte das nichts mit „fair“, „folgenlos“ oder „Waffengleichheit“ zu tun. Es kam (ziemlich sicher) von hinten und war kein „Schubser“: Die Wucht des Zusammenstoßes katapultierte die 31-Jährige bis in ein Feld. Der Unfalllenker beging Fahrerflucht – die Frau starb vor Ort. In der amtlichen Aussendung steht „touchiert“.

Wäre so ein Wording Absicht, wäre es schlimm. Doch was hier geschah, ist schlimmer als Absicht: Routine, Eile und Gedankenlosigkeit lassen solche Unfallmeldungen locker aus den Fingern „flutschen“. Niemand denkt sich etwas dabei: „Framing“ und „Narrativ“ entsprechen aber einem Muster.

Unfälle „ereignen“ sich dann nämlich. Sind also Schicksal. Wie Erdbeben. Jemand „verlor die Kontrolle über das Fahrzeug“: Trotz hartem Kampf obsiegte demnach ein übermächtiger Gegner. „Widrige Verhältnisse“ wie Schnee oder Dunkelheit treten unerwartet-plötzlich auf: Straßen bocken wie Wildpferde. Wer da nicht „von der Fahrbahn abkam”, hatte wohl übermenschliche Fähigkeiten.

Ein Radfahrer „rammt“ die „sich öffnende Autotür“. Das „Sich“ besagt: Ohne menschliches Zutun. „Rammt“ ist hingegen kraftvoll-aktiv. Aktiv heißt: Man hat es selbst in der Hand. Passiv ist hingegen die „Leidensform“: Unabwendbar, zu erdulden.

Nennen Sie mich kleinlich. Aber: Das nahezu lyrische „die Frau musste ihr Leben lassen“ der NÖN erzählt die Geschichte anders als die nüchternen Fakten: „Die Frau wurde niedergefahren, in ein Feld geschleudert und ohne Hilfe zurückgelassen. Sie starb an der Unfallstelle“. Dieses Bild ist unerträglich. Auch für die Diensthabenden in Polizei-Pressestellen.

Also steht da „touchiert“. Und darüber müssen wir reden. Eben weil niemand mit böser Absicht so schreibt.