Mit den Zahlen aus dem Modal Split wird Stadtplanung betrieben und Politik gemacht. Aber wie verlässlich sind die Ergebnisse der Verkehrserhebung? Ulrich Leth mit einer Analyse für den DRAHTESEL.

Der sogenannte Modal Split gibt die prozentuelle Aufteilung des Verkehrsaufkommens (Anzahl der Wege), seltener des Verkehrsaufwandes (Personenkilometer), auf die einzelnen Verkehrsmittel wieder. Die Idee dahinter ist, das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung mit einem möglichst einfachen, repräsentativen Kennwert abzubilden, um die Wirksamkeit von verkehrlichen oder raumplanerischen Maßnahmen nachverfolgen zu können.

Für die Stadt Wien zum Beispiel kommt der Modal Split 2018 zum Ergebnis, dass dass die Wienerinnen und Wiener 38 Prozent ihrer Wege per Bus, Bim oder U-Bahn zurücklegen. Ein Drittel der Wege sind Autofahrten. 7 Prozent der Wege wurden mit dem Rad zurückgelegt. Tendenz gleichbleibend. Es ist dies eine Verteilung, für die Wien übrigens aufgrund des niedrigen Anteils, den der motorisierte Individualverkehr ausmacht, international beneidet wird.

Kritik am Modal Split

Allerdings ist der Modal Split in seiner Aussagekraft nicht unumstritten. Die konzeptuelle Kritik z.B. von Autofahrerverbänden richtet sich gegen die Verwendung der Anzahl der Wege als Indikator für das Mobilitätsverhalten, weil sie nämlich die dabei zurückgelegten Entfernungen außer Acht lasse. Bei Berücksichtigung der Weglängen würden die Anteile des Fuß- und Radverkehrs gegenüber den Kfz- und ÖV-Anteilen verschwindend gering – der durchschnittliche Fußweg ist eben kürzer als eine Autofahrt.

Diese Kritik ist allerdings nur teilweise berechtigt. Schließlich ist Verkehr ja immer zweckgebunden und entsteht durch einen Mangel am Ort – etwa einen Mangel an Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten oder Erholungsraum –, so dass der Modal Split über die Notwendigkeit und Art der Ortveränderung, nicht aber über die Distanzen Auskunft gibt.

Weiters bezieht sich der Modal Split nur auf das Hauptverkehrsmittel eines Weges, also jenes, mit dem die längste Wegetappe zurückgelegt wird. Dadurch werden z.B. Zugangs- und Abgangswege zu den Öffis, aber auch zum Auto ignoriert. Würden sie berücksichtigt, würde der Modal Split also auf einzelne Wegabschnitte gerechnet, verdoppelte sich der Fußwegeanteil in Wien z.B. auf 56 Prozent.

Ein dritter Kritikpunkt betrifft die Erhebungsmethodik, die sich international aber auch national stark unterscheidet. Modal Split ist nämlich nicht gleich Modal Split: Stichprobengrößen, Stichprobenziehung und Befragungsart können sich stark unterscheiden, was sich maßgeblich auf die Qualität der Daten auswirkt. Während bei der österreichweiten Mobilitätserhebung („Österreich unterwegs“ 2013/14) per Zufall aus dem Melderegister bestimmte Haushalte postalisch kontaktiert wurden, herrschte lange die Meinung vor, dass die Erhebung in Wien als Telefonbefragung unter Festnetznummern durchgeführt würde – was natürlich die Stichprobe massiv verzerrt hätte.

Ulrich Leth lehrt und forscht am
Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien

Wie eine Anfrage ergab, wird aber auch zur Ermittlung des Wiener Modal Splits die Stichprobe per Zufall aus dem Melderegister gezogen, die Haushalte dann schriftlich kontaktiert, und bei Interesse an der Teilnahme dann telefonisch befragt – immerhin 2.000 Wienerinnen und Wiener jedes Jahr.

Was und wie genau befragt wird, ist aber nicht publiziert. Auch die Tatsache, dass ein Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der Wiener Linien die Erhebung durchführt, sorgt für Skepsis.

Fest steht jedenfalls die Bedeutung, die den Ergebnissen des Modal Split zukommt: Strategische Zielsetzungen der Wiener Verkehrspolitik, etwa im Fachkonzept Mobilität, beziehen sich darauf.

Große Unterschiede auf Bezirksebene

Bei der Interpretation der Modal Split-Werte ist immer auch die räumliche Abgrenzung zu berücksichtigen. Ein Beispiel: Während die Wienerinnen und Wiener 71 Prozent ihrer Wege in Wien zu Fuß, per Rad oder Öffis zurücklegen, sieht der Modal Split völlig anders aus, sobald wir uns den stadtgrenzenüberschreitenden Frühverkehr ansehen: Hier sinkt der Anteil der umweltfreundlichen Fortbewegungsarten auf weniger als ein Drittel. Bei entsprechend großer Stichprobe ist auch eine Auswertung auf Bezirksebene möglich: hier zeigt sich z.B., dass der Radverkehrsanteil in den Bezirken 8 und 9 am höchsten ist (15 Prozent). Im 23. Bezirk ist der Autoverkehranteil bei weitem am höchsten, gefolgt von den Bezirken 21 und 22.

Wie sieht die Entwicklung über die Jahre aus?

Im zeitlichen Vergleich zeigt sich, dass der Radverkehrsanteil in Wien (aber auch in Österreich) seit einigen Jahren stagniert. Für Verwirrung sorgt dabei oft die Tatsache, dass gleichzeitig fast jedes Jahr neue Rekorde an den automatischen Wiener Radverkehrszählstellen gemeldet werden (deren Messgenauigkeit aber ebenfalls nicht bekannt ist).

Ein gleichbleibender Modal Split spricht für eine Zunahme der mit dem Rad zurückgelegten Wege im selben Ausmaß wie das Wiener Bevölkerungswachstum. Tatsächlich fallen die Steigerungen an den Zählstellen aber verhältnismäßig höher aus, was auf eine verstärkte Bündelung des Radverkehrs entlang der Routen mit Zählstellen, auf längere Wegweiten im Radverkehr oder auf eine zunehmende Untererfassung in der Modal Split-Erhebung zurückzuführen sein kann.

Sowohl Modal Split als auch die Zählung mittels automatischer Zählstellen, liefern trotz methodikbedingter Ungenauigkeiten wichtige Anhaltspunkte für die Radverkehrsplanung und –politik. Und sie zeigen, dass die national wie regional gewünschte Verdoppelung des Radverkehrs deutlich mehr Commitment und Nachdruck in der Umsetzung erfordern als bisher politisch gewünscht bzw. möglich war.

Infografik: Daniela Bernold