Die Fahrrad-Gretchen-Frage: „Fahren Sie Rad?“
Fragt man Wahlkämpfende nach ihren Verkehrs- und Mobilitätskonzepten, sind die Antworten in der Regel ausführlich, worthülsenreich – und immer zielgruppengerecht formuliert. Bei der bewusst einfachen Frage „Fahren Sie Rad?“ kann nicht aufpoliert werden: Hier muss man Stellung beziehen
UMFRAGE: Valentin Eisendle
FOTOS: von den Parteien zum Thema geschickt und wo notig, um Fahrräder ergänzt
NACHFRAGE: Tom Rottenberg
Michael Ludwig, SPÖ
Fahren Sie Rad?
Ab und zu.
Wann und wo zuletzt?
Im Sommer auf der Donauinsel und am Marchfeldkanal. Beide Orte eignen sich gut für einen Ausflug mit dem Fahrrad.
Warum oder warum nicht?
Mir ist es vor allem wichtig, dass wir in Wien eine gute Fahrrad-Infrastruktur für die Wienerinnen und Wiener schaffen und weiterhin stärken. Mit dem Ausbau des Bikesharing- Angebots WienMobil für die ganze Stadt ist uns da bereits viel gelungen.
Bettina Emmerling, NEOS
Fahren Sie Rad?
Ich fahre täglich mit dem Rad ins Büro (außer im Winter) und auch in meiner Freizeit.
Wann und wo sind Sie zuletzt selbst mit dem Rad gefahren?
Erst am Sonntag habe ich mein neues Gravelbike ausprobiert.
Warum (oder warum nicht) fahren Sie Rad?
Im Alltag bin ich damit schnell unterwegs, immer schneller als mit allen anderen Optionen. Und frische Luft und Bewegung tun immer gut.
Karl Mahrer, ÖVP
Fahren Sie Rad?
Ich fahre sehr gerne in meiner Freizeit Rad. Die Freizeit ist aber derzeit rar. Gerne fahre ich auch Rad im Fitness-Center.
Wann und wo sind Sie zuletzt selbst mit dem Rad gefahren?
Ich bin im Herbst gemeinsam mit meiner Familie in der Prater-Hauptallee gefahren.
Warum (oder warum nicht) fahren Sie Rad?
Ich fahre aus demselben Grund Rad, aus dem ich regelmäßig Sport mache: Nach intensiven Arbeitstagen ist es die perfekte Möglichkeit, um in der Natur den Kopf freizubekommen.
Judith Pühringer, GRÜNE
Fahren Sie Rad?
Ja, innerstädtisch nutze ich aber meistens die Öffis. Einige Radwege – etwa der am Gürtel – sind stressig und gefährlich. Daher fordern wir am Gürtel auf beiden Seiten einen durchgängigen Radschnellweg und mehr Tempo und Mut beim Ausbau von Radwegen.
Wann und wo sind Sie zuletzt selbst mit dem Rad gefahren?
Diese Woche zum Yppenplatz. Generell: gern für kurze Wege, etwa zur Eröffnung der Argentinierstraße. Die Fahrradstraße ist ein Erfolgsprojekt nach NL-Vorbild. Wir haben uns dafür eingesetzt, dank der Förderung durch das grüne Klimaministerium konnte sie umgesetzt werden. Jetzt braucht es noch Mut der SPÖ, den Durchzugsverkehr aus ihr rauszubringen.
Warum fahren Sie Rad?
Radfahren ist neben Zufußgehen die klimafreundlichste Fortbewegungsart in der Stadt – und eine wunderschöne Art zu reisen: Im Sommer bin ich den Ybbstalradweg geradelt – eine meiner schönsten Reisen.
Dominik Nepp, FPÖ
Wann und wo sind Sie zuletzt selbst mit dem Rad gefahren?
Zeitlich genau kann ich es nicht mehr sagen. Irgendwann im Herbst, gerne in meiner Freizeit im Wienerwald.
Warum (oder warum nicht) fahren Sie Rad?
Zu meinem Vergnügen, in meiner Freizeit.
Analyse:
Bild- und Metabotschaften bis in den kleinsten Halbsatz
„So sah der Mann vom Mopedgeschäft in meiner Kindheit aus“, schmunzelt Andrea Maria Dusl angesichts des Bildes von Michael Ludwig. Und dass Wiens Bürgermeister im Anzug neben einem Rad posiert, irritiert die Wiener Filmemacherin, Illustratorin und Kolumnistin ebenso wenig, wie der Umstand, dass das Leihrad fix in seiner Station steht: „Der Herr Michael fährt sicher Rad, in Hemd und Hosenträgern, auf einsamen Wegerln. Fotografen sind da natürlich nie dabei. Das ist auch okay so.“
Freilich: Wahlkampf braucht Fotos. Wer da wo posiert, ist ebensowenig Zufall, wie der vermeintlich flapsige, kurze „Sager“: Die echte Botschaft liegt zwischen den Zeilen. Darum bat der DRAHTESEL Kommunikationsprofis, die Texte und Bilder aus dem Rathaus zu interpretieren.
„Mahrer (VP) radelt am Stand“ ätzten also Falter-Chef Florian Klenk und „Staatskünstler“ Florian Scheuba („nach oben buckeln und unten treten – und dabei keine Meter machen“). Scheuba über Nepp: „Ein Foto mit Rad könnte ihn ein paar Prozent kosten.“ Dusl: Rad-Pics „würden dem Image als Kraftstoffrecke schaden.“

Thomas Hofer, Politikberater
Ganz ohne Polemik analysiert Politik-Berater Thomas Hofer: „Die, die dem Radfahren positiv gegenüberstehen, versuchen zu punkten. Die anderen trachten danach, die Leser*innen zwar nicht vor den Kopf zu stoßen, relativieren aber die Rolle des Rads als tägliches Fortbewegungsmittel.“
Hofer konkret: „Ludwig im Anzug neben dem Rad: Er will die Zielgruppe ansprechen, Autofahrende verprellen will er aber auch nicht.“ NEOS-Frontfrau Bettina Emmerling, „spricht offensiv grün-affine Zielgruppen an. Das Foto vermittelt Alltag und soll zeigen, dass sie Teil der Community ist. Sie unterstreicht das mit einem Fachbegriff.“
Für die Grüne Pühringer, so Hofer, ist „das Thema ein Heimspiel. Was heraussticht, ist die politische Aufladung: Persönliches Verhalten wird mit Kritik an der Stadt verknüpft.“
FP-Chef Nepp? Er „sagt es zwar nicht, aber indirekt kommt durch, dass er das Rad nicht unbedingt als alltagstauglich einschätzt. Schon gar nicht im täglichen städtischen Verkehrsgeschehen. Damit setzt er keine negative Botschaft, vermittelt aber indirekt, dass er Autofahrerinnen und Autofahrer als primäre Zielgruppe auserkoren hat.“
Karl Mahrer: „Wie beim FPÖ-Spitzenmann findet das Rad in der Natur oder sportlich statt. In Alltag oder städtischen Verkehr integriert ist es (bewusst) nicht. Das ist eine Botschaft.“