Immer mehr Menschen entdecken das Mountainbiken für sich. Das kann Böden, Pflanzen und Tiere gefährden. Aber Expert*innen wissen, wie nachhaltiges und umweltfreundliches Mountainbiken funktionieren kann.

Text: Ines Ingerle, Foto: Uroš Grabner/Trailpark Jamnica, Illustration: Jasmin Erler.

Mehr und mehr Menschen wollen die Natur radelnd erkunden und entdecken das Mountainbiken für sich. Die Pandemie hat diesem Trend besonderen Rückenwind verschafft, durch E-Mountainbikes hat sich die Nutzergruppe zudem erheblich vergrößert. Eine erfreuliche und zugleich problematische Entwicklung. Denn wer sich einfach auf sein Rad schwingt und den nächstbesten Berg hinunterbrettert, kann viel Schaden anrichten im sensiblen Ökosystem Wald, kann Pflanzen und Böden kaputtmachen, Bäume beschädigen und sogar den Tod von Tieren verursachen.

Aber Mountainbiken im Einklang mit der Natur ist durchaus möglich. Es braucht dafür neben verantwortungsvollen Radler*innen (siehe Kasten unten) eine gut durchdachte Streckenplanung, an der Expert*innen aus allen Bereichen mitarbeiten.Im Einklang mit der Natur.<br /> Illustration: Jasmin Erler.

Förster*innen, Jäger*innen, lokale Naturschutzorganisation oder der Naturschutzbund können viele Plätze aufzählen, die unbedingt umfahren werden müssen: hochsensible Stellen wie beispielsweise Trockenwiesen, auf denen Orchideen wachsen. Sümpfe, in denen Kröten, Frösche oder Molche zuhause sind. Wildruhezonen, die Gämsen, Murmeltieren, Salamandern oder Steinböcken ungestörten Lebensraum bieten sollen. Brutstätten und Futterstellen, aus denen die Tiere nicht vertrieben werden dürfen. Sogenannte Bannwälder dürfen aufgrund ihrer Funktion – etwa weil sie eine Gemeinde am Fuße eines steilen Hanges vor Steinschlag und Lawinen schützen – nicht angetastet werden.

Kaputte Bäume, erschöpfte Tiere

Auch an weniger sensiblen Orten kann Mountainbiken dem Wald schaden. Denn Benutzung führt unweigerlich zu Abnutzung. Sowohl durchs Wandern als auch durchs Radfahren können sich Wege verbreitern und verzweigen: Sammelt sich Wasser und Schlamm in der Mitte des Weges, weicht man an die Ränder aus oder kürzt ab und schafft neue Pfade, wo vorher keine waren.

“Mountainbiken ist in Österreich auf Forststraßen und Wanderwegen grundsätzlich verboten, nur auf freigegebenen und ausgewiesenen Mountainbike-Strecken ist es legal.”

 

Typische Schäden, die Mountainbiker*innen zu verantworten haben, sind darüber hinaus Bremswellen und Bremsrillen. Bremswellen, auch bekannt als Waschrumpeln, entstehen an Stellen, wo häufig gebremst wird. Längsrillen entstehen durch blockierende Räder beim Bremsen und machen den Wegen am meisten zu schaffen: Regenwasser sammelt sich in den Rillen und fließt rasch entlang des Gefälles ab. Dadurch kommt es zu Erosion und Auswaschung, Wurzeln werden frei gelegt.

Im Einklang mit der Natur. Illustration: Jasmin Erler.

„Wenn die Wurzeln dann beschädigt werden, können Feuchtigkeit und Pilze in den Baum eindringen“, erklärt Alex Pinter, staatlich geprüfter Mountainbike-Instruktor und Eigentümer eines Forstguts, in dem sich auch ein Mountainbike-Trail befindet.

Speziell das Radfahren in der Dämmerung ist auch für viele Tiere gefährlich. Sie treten in dieser Zeit aus ihrer Deckung aus, wollen fressen und haben einen reduzierten Stoffwechsel. Wird etwa ein Hirschrudel in dieser sogenannten Notzeit aufgescheucht, bricht es kilometerweit aus und verbraucht dabei viel Energie. Um seine Energiereserven wieder aufzufüllen, verbeißt das Wild den Wald, und es kommt zu massiven Schälschäden. Für manche Tiere kann ein Aufscheuchen im Winter sogar ein Todesurteil sein, etwa für das Schneehuhn, das sich einschneien lässt und einen gut kalkulierten Kalorienverbrauch hat.

In einem Punkt sind sich alle einig

Wie also kann ein harmonisches Miteinander von Natur, Mensch und Tier funktionieren?

„Es braucht Routen, die attraktiv sind und gleichzeitig Flora und Fauna möglichst wenig stören“ erklärt Julia Beckel. Die Geografin arbeitet im Arbeitskreis Radtourismus der Radlobby mit dem Umweltbundesamt an einem Projekt, das bundesweite Empfehlungen für nachhaltige Mountainbike-Regionen abgeben wird.

Legal befahrbare Strecken müssen so attraktiv gemacht werden, dass Mountainbiker*innen sie gerne nutzen und nicht auf andere Bereiche ausweichen, sagt auch Alex Pinter: „Wenn ich gezielt Routen freigebe, habe ich eine gewisse Lenkung.“

Die Instandhaltung von Strecken ist zeit- und personalaufwendig. Gerade gegen Ende der Saison oder nach Regenperioden sind beliebte legale Strecken oft so ausgefahren, dass sie gesperrt werden müssen. Studien zufolge sind die allermeisten Mountainbiker sehr naturverbunden – aber wenn die vorhandene Infrastruktur nicht ausreicht, weichen viele trotzdem wieder auf (nicht freigegebene) Alternativen aus.

Im Einklang mit der Natur. Illustration: Jasmin Erler.

Auch der Österreichische Alpenverein kam daher bei einer 2020 durchgeführten Umfrage zu dem Schluss, dass es „in Regionen mit hoher Nutzerdichte unabkömmlich ist, Lenkungsmaßnahmen mit attraktiven und vor allem ausreichend Streckenangeboten zu schaffen“.

Wie und wo neue Strecken am besten gebaut werden können, dazu gibt es viele mögliche Lösungen. Was aber alle Konzepte gemeinsam haben und worin alle Expert*innen übereinstimmen, das ist die Erkenntnis, dass nur mehr Angebote den Druck aus dem System nehmen können. „Im Wienerwald bräuchten wir doppelt so viele Trails, um einen langfristigen Lenkungseffekt zu erzielen und Übernutzung vorzubeugen“, diagnostiziert der Forstwissenschaftler und Trailpark-Entwickler Alexander Arpaci.

Damit mehr Strecken entstehen können, braucht es auch rechtliche Rahmenbedingungen, die Grundstückseigentümer* innen die Angst nehmen, für eventuelle Unfälle auf ihrem Grund haften zu müssen: „Es gibt eine gewisse Grundangst bei den Eigentümer* innen, dass sie verklagt werden könnten“, erklärt Alex Pinter, der die Probleme gut kennt, die entstehen, wenn verschiedene Waldbenutzer*innen aufeinander treffen.

So können Mountainbiker*innen die Natur schonen


Fazit: Wenn mehr und mehr Menschen die Natur radelnd erkunden wollen, dann braucht es ein dichteres Netz legaler, gut geplanter und nachhaltig angelegter Möglichkeiten dafür. Gelingt es, ein solches zur Verfügung zu stellen, dann profitieren Waldbesitzer*innen, Mountainbiker*innen und die Natur.

 

 

 

Weiterführende Info

> Die 6 Gebote für trailschonendes biken
> Natürlich biken – Naturverträglich unterwegs mit dem Mountainbike

 


Zum Weiterlesen

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