Wiedermal am Bauzaun quer über den Radweg „gestrandet“? Beim Schild „Absteigen und schieben“ mit Kindern & Einkäufen im Lastenrad verzweifelt? Hilf- und orientierungslos vor Großbaustellen? Was dem Kfz-Verkehr niemand zumutet, ist am Rad immer noch selbstverständlich. Nur: Das müsste längst nicht mehr so sein.

AUTOR: Philipp Schober
ILLUSTRATIONEN: Veronika Pažická

Die Ungleichbehandlung von Rad- und Autoverkehr bei der Absicherung von Baustellen bedeutet für Radfahrerinnen und Radfahrer einen enormen Komfortverlust. Und: Sie schürt Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr“, sagt Radlobby Östereich Vorsitzender Andrzej Felczak – und das nicht ohne empirische Grundlage: „Zu dem Thema gibt es bei uns laufend Beschwerden.“

Vor allem, wenn Radfahrende dann auf Gehwege müssen. Dabei, so Felczak, wäre es für den Fuß- und Radverkehr noch wichtiger als für den Autoverkehr, Baustellen komfortabel passieren zu können: Im Auto tippt man aufs Gas, am Rad oder zu Fuß aber kostet jeder Wechsel der Fahrbahnseite, jeder zusätzliche Meter Energie. Und je weniger fit oder mobil – warum auch immer, umso schlimmer: Mit Lastenrad, Kinderwagen oder Rollstuhl werden Engstellen oder Gehsteigkanten oft unüberwindbar.

Rad-fahren, nicht Rad-schieben

ZeichnungSchilder wie „Radfahrer absteigen“ oder „Schiebestrecke“ sind in Österreich ebenso immer noch üblich, klagen die Landes-Radlobby-Gruppen unisono. Oft auch dort, wo Fahr-Lösungen umsetzbar wären. Bei den tatsächlich unvermeidbaren Sperren wäre dann umso wichtiger, dass Behörden, Baustellenerrichter und -betreiber akzeptable Alternativen schaffen. Etwa durch mit Fahrbahnteilern oder sogenannte „Leitbaken“ geschützte Radweg-Weiterführungen auf der Fahrbahn. Oder auf einem – ausreichend breiten – Gehsteig. Oder durch ausgeschilderte Umleitung.

Das „Werkzeug“ gäbe es

ZeichnungDas „Werkzeugset“, also offizielle Regeln und Vorgaben zur Kennzeichnung von Baustellen und die Einrichtung von Umleitungen, gibt es nämlich, erklärt Roland Romano, Sprecher der Radlobby Österreich. „Die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen, im Fachjargon ,RVS‘ genannt, geben all das für Baustellen und andere Einschränkungen der Befahrbarkeit einer Radfahranlage klar vor.“

Ersatzrouten dürfen demnach höchstens 500 Meter zusätzlichen (Um)Weg bedeuten. Sie müssen mit gelben Hinweistafeln mit Radpiktogramm und orangen Bodenmarkierungen ausgewiesen sein. Der Haken? Romano: „Die Richtlinien werden oft ignoriert.“

Rechtslage eigentlich klar

Dabei ist die Rechtslage eigentlich klar: Wer Straßenbauarbeiten durchführt, Gerüste oder Container aufstellt oder sonstwie den Straßenverkehr beeinträchtigt, muss bei Bezirkshauptmannschaft, Magistrat oder Gemeinde eine Bewilligung einholen. Im Bescheid kann die Behörde Auflagen vorgeben. Wohlgemerkt: Sie kann, muss aber nicht. In der Praxis steht im Baustellenbescheid oft nur, der Radverkehr sei „in geeignetem Maße zu berücksichtigen“.

In den Landes-Radlobbys spricht man da oft von Bewusstseins- und Personalproblemen innerhalb mancher Behörden. Romanos Forderung: „Verkehrsbehörden sollen detaillierte Vorgaben machen, deren Einhaltung kontrolliert wird.“ Klare Vorgaben der Politik wären da hilfreich.

Wobei: Graz, Linz und Innsbruck haben eigene Regelwerke und Leitfäden zum Thema „Baustellen und Rad“. International sind verbindliche Richtlinien aber längst oft Standard.

Dauerärgernis: Ersatzlose Sperre

Innsbrucker Marktplatz

Trotz Richtlinie: Sperre der hochfrequentierten Hauptradroute am Innsbrucker Marktplatz für eine Dauerveranstaltung ohne Umleitungskonzept

Auch für Veranstaltungen wären Richtlinien wichtig, sagt Mathias Schweighofer von der Radlobby Tirol. Er verweist auf ein „regelmäßiges Ärgernis“ am Innsbrucker Marktplatz: „Bei Veranstaltungen wird der wichtigste Radweg durch die Stadt ganz selbstverständlich gekappt.“ Die zuständige Stadträtin Mariella Lutz (Liste Ja-Jetzt Innsbruck) hält Schieben für zumutbar: Für eine Umleitung fehle der Platz. Schweighofer sieht das anders.

Innsbruck ist da kein Einzelfall: In Linz etwa wird der EuroVelo Donau-Radweg automatisch gesperrt, wenn der Urfahraner Markt oder andere Events stattfinden.

Verkehrsmeldungen wären möglich

Nicht nur das Sperren zeigt den Unterschied zwischen Rad- und Autorelevanz: „Verkehrsmeldungen und Routingoptionen für den Autoverkehr gibt es seit Jahren aktuell und bundesweit einheitlich. Für den Radverkehr nicht,“ klagt Roland Romano. Dabei wäre das „Einmelden“ von Umleitungen und Sperren in amtliche Echtzeit-Verkehrsinformationssysteme längst auch für den Radverkehr möglich.

Baustellen und Veranstaltungen würden dann auch im Rad-Routing diverser Apps aufscheinen. Die Verkehrsauskunft Österreich – auf ihr basieren viele kommunale Router – berücksichtigt seit April 2025 auch auf diesem Weg eingetragene Rad-Verkehrsmeldungen. Der Haken? Der Eintrag Gemeinde erfolgt freiwillig.

Bewusstseinsfrage

Rad-Umleitungsschild

Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai im August 2025.
Ja, anderswo in Österreich hat man solche Umleitungsschilder noch nie gesehen. Aber auch hier wäre noch „Luft nach oben“: Wozu sonst gibt es am Schild die Option, die Richtung ein wenig zu präzisieren?

Diesen Mix aus fehlendem politischen Auftrag und einem sich nur langsam entwickelnden Bewusstsein, Radverkehr auf Behördenebene gleichberechtigt „mitzudenken“, sehen und beschreiben die Radaktivistinnen und Radaktivisten der Radlobby-Teilorganisationen in allen Bundesländern: Werkzeuge, Richtlinien, „Tools“ und die technischen Mittel, den Radverkehr bei Sperren, Baustellen oder anderen „Ereignissen“ nicht „in die Wüste“ zu schicken, gäbe es jedenfalls, betont Radlobby-Sprecher Roland Romano: „Was fehlt, ist oft die klare Zuständigkeit und der politische Auftrag, damit all das dann auch tatsächlich passiert.“