Ein Rad für alles – kann das gehen?
Dass man mit Falträdern in Öffis und rund um die Welt kommt, ist bekannt. Aber: Machen sie auch beim Graveln und im Pumptrack Spaß?
TESTFAHRER*INNEN: Birgit Schwarzenberger, Gernot Moherndl, Markus Titz, Paul Kubalek
Fotos: Paul Kubalek
Klappräder nicht nur für die „letzte Meile“ vom Bahnhof, sondern für den Alltag? Graveln, Pumptrackfahren und auch sonst noch allerlei damit? Ist das sinnvoll? Macht das Spaß? Und vor allem: Kann das überhaupt funktionieren?
Sagen wir so: Es gab und gibt Menschen, die mit Falt- und Klapprädern sogar Weltumradelungen angegangen sind. Und diese „Rundfahrten“ erfolgreich beendeten. Aber bekanntlich ist ja nicht alles, was möglich ist, auch sinnvoll. Und macht darüberhinaus auch noch Spaß.
Unlängst hat allerdings die britische Kult-Faltrad-Marke Brompton – nach Jahrzehnten der Treue zu kleinen 16-Zoll-Rädern – ein neu konstruiertes 20-Zoll-Faltrad auf den Markt gebracht. Und behauptet selbstbewusst: „Damit geht alles.“ Doch der DRAHTESEL sagt: „Das wollen wir sehen!“, und schickte vier Tester*innen mit dem Brompton G und dem vergleichbaren Falt-Mitbewerber, dem „Rocky Bonkers“ aus dem Hause „Vello“, auf die Straße. Aber eben nicht nur dorthin.
Hier kommen nun ihre – ganz bewusst ganz subjektiven – Erlebnisse und Testberichte.
Birgit Schwarzenberger
Ein Punktesieg für Brompton

Schwarzenberger schätzt am Brompton die Kompaktheit
Das Brompton G-Line hat mich positiv überrascht. Es fährt sich stabiler als ältere Modelle – fast wie ein Citybike, selbst auf losem Untergrund. Der Klappmechanismus funktioniert gewohnt zuverlässig. Einziger Minuspunkt: Im zusammengefalteten Zustand liegt der Schwerpunkt recht weit oben und seitlich, was das Rad etwas wackelig macht – da ist das klassische Modell stabiler.
Das Vello Rocky Bonkers punktet mit breiten Reifen und einem komfortablen Lenker. Es fährt sich angenehm, auch auf Schotter oder über kleine Schwellen. Praktisch ist der große Gepäckträger, auf dem sogar Standard-Packtaschen von Ortlieb Platz finden. Der Träger ragt allerdings weit nach hinten, was beim Falten stört: Er ist ein zusätzlicher Schritt in einem ohnehin komplexen Prozess. Ohne Erklärung ist das Klappsystem kaum intuitiv – und „kompakt“ ist das Ergebnis leider auch nicht. In vollen Öffis hilft das kleinere Format zwar ein wenig, aber mit dem handlichen Brompton kann es nicht mithalten.
Mein Fazit? Wer ein leicht faltbares, alltagstaugliches Rad sucht, liegt mit dem Brompton G-Line richtig. Das Vello ist fahrtechnisch top und vielseitig, aber beim Thema Kompaktheit muss man Abstriche machen.
Gernot Moherndl
„Das Vello ist am Berg angenehmer“

Moherndl am Brompton im Pumptrack: „Erstaunliche Stabilität und Komfort“
Das Brompton G-Line hat mich wirklich überrascht! Im Vergleich zum 16-Zoll-Brompton bietet es mit den 20-Zoll-Rädern auf Schotterwegen erstaunliche Stabilität und Komfort. Grip und Komfort der sehr breiten 54 mm Schwalbe G-One Allround-Reifen sind super und geben einem auch in Kurven ein sehr sicheres Gefühl. Durch den tieferen Schwerpunkt ist der Grip sogar besser als auf einem normalen Gravelrad mit schmäleren Reifen. Auch falten und Transport im Zug waren unkompliziert. Allerdings ist das G-Line zusammengeklappt größer und schwerer als das 16-Zöller. Da merkt man auch die 8-Gang Nabenschaltung. Wer nur auf Asphalt unterwegs ist, für den ist das 16-Zoll-Brompton wahrscheinlich die bessere Wahl. Alles in allem ist das G-Line ein tolles Rad für alle, die auch mal abseits der Straße unterwegs sein wollen.
Das Vello mit breiten Reifen ist ein leichtes und agiles Faltrad, das sich auch auf Schotterwegen gut fahren lässt. Im Vergleich zum Brompton G-Line bietet es etwas weniger Grip, oder lag es am Reifendruck, als ich das probiert habe? Die 10-Gang Kettenschaltung ist sportlicher als die Nabenschaltung des Brompton und macht, wie auch das geringere Gewicht, das Fahren am Berg angenehmer. Allerdings ist der Faltmechanismus des Vello etwas komplexer und erfordert mehr Übung. Sollte man regelmäßig einige Höhenmeter vorwiegend auf Asphalt absolvieren und das Zusammenfalten nicht mehrmals täglich erfolgen, wäre das Vello die bessere Variante für mich.
Markus Titz
Schneller mit dem schwereren Rad

Markus Titz: Das Handling des Vello war nicht ganz so überzeugend.
Die Gangschaltung am Brompton G-Line, vier für Straße, vier für Steigung, ist gut aufgeteilt, trotz größerem Abstand zwischen viertem und fünften. Fahren ist super angenehm, ich fahre meine gewohnte Strecke zur Arbeit schneller. Es ist leichtgängig und wendig, mit voll beladener Tasche kaum anders als ohne. Die Sitzposition ist angenehm und die Lenkergriffe liegen gut in der Hand.
Es fühlt sich doch schwerer an als mein Brompton, der hohe einseitige Schwerpunkt im gefalteten Zustand macht es etwas schwerer zu tragen. Und – das ganze kippt gern auf die übergewichtige Seite.
Im Gegensatz zum 16-Zoll-Brompton ist der Faltmechanismus verbessert, man muss weniger schrauben bis die Teile auseinander gehen. Es ist nur alles etwas größer, was es mir mit meinen 170 cm Körpergröße nicht vereinfacht. Im Zug muss ich aufpassen, dass es mir nicht davonrollt. Die Rollen am Gepäckträger sind fast zu gut.
Die Außen-Gangschaltung des Vello Rocky Bonkers ist leichter zum Rauf- und Runterschalten, aber von der Aufteilung gefällt mir die Schaltung am Brompton besser. Das Fahrgefühl ist an sich gut. Bei engen Kurven wirkt das Rad steif beim Einlenken. Ich bin nicht an den exakt geraden Lenker gewöhnt. Den Klappmechanismus finde ich zu aufwendig, das würde ich beim Öffi-Fahren nicht schaffen, bevor ich in den Zug steige oder auch im Zug vor dem Aussteigen. Vor allem, dass man den Sattel rausnehmen muss, um den Gepäckträger aus dem Weg zu bekommen, gefällt mir gar nicht.
Paul Kubalek
Träume von Vello-Bikepack-Touren

Das „wunderbare Gefühl“ über Sandhaufen zu fahren: Paul Kubalek am Vello.
Zuerst auf’s Brompton. Wie das fährt! Durch die Stadt sausen macht riesig Spaß. Die Reifen auf 3 bar abgelassen, spüre ich wenig von Kopfsteinpflaster und Straßenbahngleisen. Acht Alfine-Gänge sind gut und genug, springen auch unter Belastung einwandfrei weiter. Die hydraulischen Bremsen vermitteln Sicherheit. Ab zum Bahnhof, falten – fast so wie beim „kleinen“ Brompton. Nur das Klapp-Pedal wird jetzt herausgezogen und in ein dafür vorgesehenes Loch gesteckt. Warum nur? Vor dem Aussteigen aus dem Zug fällt mir das Rad Richtung Lenkerseite um, weil ich es einmal kurz ausgelassen habe. Es hat ein einseitiges Übergewicht. Das ist etwas enttäuschend.
Ab auf die Schotterwege. Und wieder: Es macht einfach Spaß damit herumzufahren. Das könnte ich stundenlang tun – vielleicht auch tagelang?
Jetzt mit dem Vello. Fahren macht ähnlich Spaß, auch wenn ich wegen des größeren Abstands zwischen Lenker und Sattel mehr nach vorne lehne. Aber eine lange Tour mach ich heute nicht, und so ist es eine Freude, über Wiener Hügel und Park-Sandhaufen zu schneiden. Das fühlt sich wunderbar an.
Ab in den Zug. Ich hab das Falten geübt, ich kann das jetzt genauso schnell – alles eine Frage der Gewohnheit. Nur der (als Extra zu habende) Gepäckträger ist zusätzlich einzuklappen, und wenn man will, die Pedale und Lenkerenden.
Draußen am Feldweg ist alles gut, und ich träume, auch damit vollbepackt eine Tour zu fahren. Wenn ich bewährte Packtaschen drauftun will, ist sowieso das Vello erste Wahl, weil die auf den Gepäckträger gut draufpassen. Außerdem hat der auch ein Mik Aufnahmesystem, in das man viele verschiedene Taschen sicher einrasten kann.
Die beiden Alleskönner:
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Brompton G-Line Roller Frame 8-Gang |
VELLO ROCKY Bonkers inkl. Gepäckträger und Schutzbleche |
Gewicht: 15,1 kg Gänge: 8 Preis: 2.969 € www.brompton.com |
Gewicht: 15,1 kg Gänge: 10 Preis: 1.918 € www.vello.bike |