Unser Autor, selbst einer der Organisatoren des Tweed Ride Vienna, begab sich nach London zu den Ursprüngen der wollenen Fahrrad-Renaissance

BERICHT: David Marold

Anfang Februar erhielt ich von meinem Tweed-Kollegen Lukas die Nachricht: „Hab’ zwei Tickets für den Tweed Run in London. Willst Du eines?“ Was für eine Frage. Da brauchte es kein langes Überlegen: „Yes, Sir!“ Schon lange wollte ich beim „Original“, dem Londoner Tweed Run, mitfahren. Die im Jahr 2009 zum ersten Mal durchgeführte Fahrrad-Parade ist inzwischen zu einer der beliebtesten Rad-Veranstaltungen weltweit geworden. Ein Franchise-Event und für unser Verständnis sehr kommerziell, aber einzigartig wegen der Hingabe der Teilnehmenden, dem Humor der Marshals, das sind die Begleiter, die den Weg zeigen und die Gruppe zusammenhalten, und der perfekten Organisation von Ted Young-Ing, dem Erfinder und Inhaber der Marke Tweed Run. Legendär sind die Fotos dieser Radparade, die jedes Jahr kurz danach durchs Internet rollen. Es ist der Gipfel der Britishness, der Schrägheit, der absurden Detailversessenheit. Kurz: Lebensfreude pur. Die Tickets sind – Gerüchten zufolge – in weniger als einer Sekunde ausverkauft.

Es beginnt mit der Ticket-Lotterie
Das Prozedere: man nimmt an einer Ticket-Lotterie teil. Wenn man gewinnt, zahlt man 25 englische Pfund. Dafür erhält man eine Startnummer, eine Tasse Tee, den Eintritt zur After-Party und unterstützt mit fünf Pfund ein karitatives Projekt: dieses Jahr die „London Cycling Campaign“, die auch von der britischen Radmanufaktur Pashley mit einer Sonderedition des Kult-Fahrrades Guv’nor unterstützt wurde. Wir besorgten uns also Flugtickets, Fahrradtaschen und eine Übernachtungsmöglichkeit. Da wir keine halben Sachen wollen, buchten wir das Champagner- Frühstück, das der Veranstalter als Option anbietet, dazu. Also begaben wir uns, selbstverständlich in vollem Tweed-Outfit, nach Clerkenwell ins Bourne & Hollingsworth Building – einem von Bäumen umgebenen, lichtdurchfluteten Frühstücks- Etablissement. Uns erwarteten Champagner, pochierte Eier, gehackte Erdäpfel, geräucherter Lachs, Scones und lachende Ladies und Gentlemen. Um halb elf fuhr unsere kleine Champagner- Runde in Begleitung eines Marshals von der Northampton Road zu den Spring Gardens und Trafalgar Square, wo alle Teilnehmenden zusammentrafen. Erst hier, beim Gruppenfoto wurde mir klar, wie viele Ladies and Chaps gekommen waren: Sieben hundert! Es war der größte Tweed Run aller Zeiten. Nach dem Meet and Greet, einer ausgiebigen Inspektion der fantastischen Fahrräder (aus österreichischer Manufaktur leider nur ein Select) und der Tweed Outfits, setzte sich der Tross um etwa 12 Uhr in Bewegung.

12 O’Clock:
Tally Ho! Meiner Einschätzung nach waren es etwa 30 Marshals, die sich um die Sicherung der Route kümmerten. Anders als früher, durfte der Kfz-Verkehr in diesem Jahr für die Parade nicht mehr angehalten werden. Anarchistisch fuhren wir zwischen Bussen, Taxis und anderen Autos durch die schönsten Straßen Londons, vorbei am Big Ben und über die Tower Bridge. Die Teepause am Red Lion Square bot erneut die Gelegenheit, Freundschaften zu schließen und eine Tasse Tee zu trinken. Das heißt, wenn man noch eine bekam. Die Schlange war nämlich „very british“, also sehr lang.

2 O’Clock:
Picknick Nach und nach sattelten die Leute auf und fuhren in Grüppchen weiter zum St. Pancras Park, wo wir uns von Zwei fesche Burschen Autor David Marold (rechts) und Lukas Lang, die in Wien den Tweed Ride mitorganisieren, begaben sich nach London, um zu schauen, wie es die Briten machen der nahegelegenen Bahnstation Indian Pale Ale, Salat und Sandwiches besorgten. Bärte wurden getrimmt, Schiebermützen geworfen und Swing am Grammophon gespielt. Nach dem Picknick ging es weiter zum Victoria House am Bloomsbury Square, wo die Party stattfand. Im Angebot waren sechs Drinks (viel Gin) und – ein Tiefpunkt – USamerikanisches Dosenbier. Doch die Stimmung war ausgelassen. Neben Livemusik und Burlesk-Show wurden auch Preise für die bestgekleideten Teilnehmenden, das tollste Rad (ein altes Pedersen) und den am schönsten gezwirbelten Bart vergeben.

London calling?
Der Tweed Run war für Lukas und mich eine spannende Erfahrung. Der Enthusiasmus ist umwerfend, und die Palette an potenten Sponsoren zeigt, wie viel Breitenwirkung in dieser Veranstaltung steckt. Wer jetzt Lust bekommen hat, nach London zu reisen, hier ein Tipp: Bei Tally Ho! Cycle Tours kann man Räder ausleihen und an geführten Touren durch die City teilnehmen. Wir haben es ausprobiert. Ob es sich auszahlt? „Yes, Sir!“

Autor David Marold und Lukas Lang, die in Wien den Tweed Ride mitorganisieren, begaben sich nach London, um zu schauen, wie es die Briten machen