Leitartikel von Matthias G. Bernold

Das Leben ist mitunter zynisch, und so saß ich unlängst im Kino, um mir den neuen James Bond anzusehen. Nach zwei Stunden aufwändig inszenierter Terroranschläge und Sprengstoffattentate kehrte ich in die Realität zurück. Um festzustellen, dass in Paris Terroranschläge und Sprengstoffattentate stattgefunden hatten. Nur blutiger, brutaler und ohne Happy End.

In diesen Tagen des Grauens und der beklemmenden Nachrichtenlage macht es Sinn, sich ein paar Fakten in Erinnerung zu rufen. Erstens: Mehr als 1,2 Millionen Menschen sterben laut WHO weltweit jedes Jahr bei Verkehrsunfällen. Die Opferzahlen liegen weit über denen von Krieg, Genozid oder Terrorismus. Die Gesellschaft steht dem Tod auf den Straßen jedoch weitestgehend gleichgültig gegenüber.

Hat sich wohl daran gewöhnt, dass ein erklecklicher Teil der Kfz-Lenkenden zu Tode kommen oder andere zu Tode bringen muss. Als wären diese Opfer – so wie die übrigen negativen Folgen des motorisierten Individualverkehrs – schicksalshafte und unveränderliche Naturgesetze.

Vom Grauen auf den Straßen ist in den Werbespots der Automobilindustrie ebenso wenig zu sehen wie von verstopften Straßen, vom Lärm, und von den Schadstoffwolken. Auch nicht von der Aggression jener, die in ihren Blechkisten festsitzen und beleidigt herausschauen. Im Vorspann zum eingangs erwähnten 007-Blockbuster lief ein Werbespot von Ford: Zur Musik von Jimi Hendrix’ „If 6 Was 9“ schwenkt eine Kamera über europäische Metropolen – Rom, London, Paris, Berlin. In den Straßen: Kein einziger Mensch, kein einziges Auto, nur ein roter Ford Mustang. Die ultimative automobile Allmachtsphantasie: endlich allein. Endlich keine Rücksicht nehmen.

Dass die Autoindustrie ihre Produkte mit derartigen Phantastereien verkaufen muss, bezeugt die Schwäche der Technologie. Wenn die Lockstoffe der Werbestrategen nicht mehr für genügend Profit sorgen, kommen die Lobbyisten zum Einsatz, um die gesetzliche Realität anzupassen. Wo auch das nicht genügt, werden die Ingenieure kreativ. In diesem Sinne stellt der jüngste VW-Abgas-Skandal bloß die Fortführung der Werbung mit anderen Mitteln dar.

Dass jetzt die Besitzer von Autos, deren Abgaswerte betrügerisch manipuliert wurden, entschädigt werden sollen, ist eigentlich absurd. Trifft doch der Schaden in erster Linie jene, die jahrzehntelang gezwungen waren, die giftigen Abgase einzuatmen: Die Öffentlichkeit, die Menschen in den Kommunen, die Anrainerinnen und Anrainer. Jene, die unter dem Autoverkehr leiden: sie sollten Entschädigungszahlungen bekommen.

Mahalo