Das „Raserpaket“ von Ministerin Gewessler klang vielversprechend. Jetzt hat der Nationalrat es beschlossen – aber in einer massiv abgeschwächten Form.

Analyse: Andrzej Felczak.

Sie wolle nichtlänger zuschauen, wenn Autofahrende durch absurde Geschwindigkeiten fahrlässig Menschenleben gefährdeten – so kündigte Klimaschutz- und Mobilitätsministerin Leonore Gewessler von den Grünen im September ein Maßnahmenpaket an, das höhere Strafen für Autoraser*innen vorsah.

Es wäre eine dringend notwendige Reform: Nicht nur machen Autoraser*innen Radfahrenden Angst – insbesondere, wenn sie auch noch zu knapp überholen – und sind so einer der Hauptgründe, warum viele Menschen das Fahrrad nicht nutzen. Mit jedem Stundenkilometer mehr steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie Fußgänger*innen oder Radfahrende verletzen oder töten. Und ein höheres Tempo führt zu einem deutlich höheren Treibstoffverbrauch und damit auch zu einem höheren CO2-Ausstoß.

Österreich hat höhere Tempolimits als viele andere europäische Länder und mildere Strafen bei Geschwindigkeitsdelikten. Die Auswirkungen sind in den Unfallstatistiken deutlich erkennbar:

 

Eine bemerkenswerte Begründung

Jetzt hat der Nationalrat das Raserpaket mit den Stimmen aller Parteien außer der FPÖ beschlossen – aber in einer massiv abgeschwächten Form, in einer „Minimalvariante“, wie das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) in seiner Stellungnahme schreibt.

Die ursprünglich angekündigte Senkung des Grenzwertes, ab dem die Polizei Autolenker*innen den Führerschein abnehmen kann, wurde gestrichen. Wer um 30 km/h schneller fährt als erlaubt, muss künftig zwar mindestens 150 statt nur mindestens 70 Euro zahlen – zum Schutz von Radfahrenden und Fußgänger*innen reicht das aber nicht, auch weniger krasse Überschreitungen müssten bestraft werden.

Und: Geschwindigkeitsübertretungen werden nun doch nicht zum Vormerkdelikt. Dabei wäre gerade das ein wichtiges Signal gewesen, sagt Bettina Schützhofer, Verkehrspsychologin und Geschäftsführerin des Instituts „Sicher unterwegs“. Die jetzt geplanten Veränderungen beträfen „nur eine sehr kleine Gruppe von Hochrisikolenker*innen“.

Die Aufnahme von Tempodelikten ins Vormerksystem sei eine sinnvolle Maßnahme, um mehr Bewusstsein für die Gefährlichkeit des Rasens zu schaffen und die viel größere Gruppe von „Risikolenker*innen“ zu erreichen.

Warum also wurde das Vormerkdelikt Rasen aus der Gesetzesnovelle gestrichen?

Misst ein Radargerät ein Geschwindigkeitsdelikt, wird derzeit automatisiert eine Anonymverfügung erstellt, die sich an den Besitzer oder die Besitzerin des Autos richtet. Bei Vormerkdelikten hingegen muss die zuständige Behörde ermitteln, wer das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt hat.

Laut einer gut informierten Quelle haben die Bundesländer das Vormerkdelikt Rasen deshalb aus dem Entwurf herausreklamiert – mit einer bemerkenswerten Begründung: Schnellfahren sei ein derartiges Massenphänomen, dass die händische Bearbeitung der vormerkrelevanten Geschwindigkeitsdelikte die Bezirkshauptmannschaften überfordern würde.

Das Team der zuständigen Ministerin Gewessler sowie das Land Steiermark, das im ersten Halbjahr den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz hatte, haben Anfragen dazu bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.

 

Weiterführende Links

> VCÖ – “In 22 von 27 EU-Staaten ist Tempolimit auf Freilandstraßen niedriger als in Österreich”
> Kuratorium für Verkehrssicherheit – Raserpaket Maßnahmen greifen viel zu kurz

 


Zum Weiterlesen

Drathesel Cover DE3/21

Ja, ich möchte unbedingt die gesamte Printausgabe lesen und den Drahtesel, das österreichische Fahrradmagazin, abonnieren:

> Hier Drahtesel-Abo bestellen