Zehn Tipps, damit der Fahrrad-Urlaub zum unvergesslichen Erlebnis (aber nicht zum Horror-Trip) wird.

Checklist: Michaela und Herbert Killian

Das Ehepaar Michaela und Herbert Killian radelt seit fast 30 Jahren gemeinsam durchs Leben. Für den DRAHTESEL stellen die routinierten Radreisenden zehn Tipps zusammen, damit der Fahrrad-Urlaub zum unvergesslichen Erlebnis (aber nicht zum Horror-Trip) wird.

1.    Wahl des Reiseziels
Wenn der Mensch im winterlichen Grau der Donauniederungen sitzt und die Vorfreude auf die nächste Radreise wächst, ist die beste Zeit, mit den Planungen zu beginnen. Bei der Wahl des Reiseziels sollten diese Fragen bedacht werden:

Wollen wir eine bestimmte Gegend zu einer bestimmten Zeit bereist werden, zum Beispiel blühende Macchia auf Korsika oder reifes Obst am Wegesrand am Balkan?
Sind wir sonnen- und wärmehungrig oder vertragen wir einen kühleren und regenreicheren Urlaub?
Wie steht es um Kondition und Gesundheit? Eine Radwanderung von Bordeaux nach Marseille unterscheidet sich von der Querung von Rhodopen-Pässen nicht zuletzt durch das Ausmaß der körperlichen Strapazen.
Wie abenteuerlich soll es während der Radreise zugehen und wie viel Zeit haben wir für die Vorbereitungen? (Kennen wir das Land bereits, sprechen wir zumindest in Grundzügen die Sprache, sind wir nur in einem Land oder haben wir alle drei Tage einen Grenzübertritt und brauchen entsprechende Visa)

2.    Recherche und Planung
Ist die Region einmal festgelegt, beginnt die Recherche (zum Beispiel im Radreise & Fernradler Online-Forum) sowie die Suche nach Radliteratur. Radreiseführer (etwa die Radtourenbücher Bikeline aus dem Verlag Esterbauer) erleichtern die Planung. Sind solche nicht vorhanden, müssen Straßenkarten im großen Maßstab her. Für uns hat sich außerdem die Verwendung eines GPS-Gerätes bewährt. Wir zeichnen auf der Online-Plattform GPSies die geplanten Etappen, um sie nachher als Tracks auf den Garmin zu laden. Als Faustregel lässt sich sagen: Die Komfortdistanz für eine Tagesetappe sind 60 bis 70 Kilometer und 800 Höhemeter. Maximal sind 120 Kilometer und 1.500 Höhenmeter möglich. Alles darüber hinaus ist – meinen wir – nicht mehr Urlaub, sondern Plackerei.

3. Unterkünfte und Budget
Die Vorstellung, nach einem anstrengendem Tag ein Zelt aufstellen oder mühsam Herberge suchen zu müssen, begeisterte uns nie. Aus diesem Grund reservieren wir meist die Unterkünfte im Vorhinein. Die Zimmer finden wir in Rad-/Reiseführern, auf speziellen Bed-Bike-Seiten oder auf den Homepages der Gemeinden. Regelmäßig kontaktieren wir über die Online-Plattform Warm Showers (eine Art „Couch Surfing“ für Radreisende, ähnlich dem ARGUS-Dachgeberverzeichnis)  potenzielle Gastgeber in der Region, die uns in der Vergangenheit auch mit erstklassigen Tipps und Infos versorgt haben. Abhängig vom Preisniveau der Region kalkulieren wir ein Wochenbudget von 300 bis 900 Euro. Am billigsten sind Radreisende am Eisernen Vorhang Radweg (= Grünen Band) in den Ländern des ehemaligen Ostblocks unterwegs. Unsere teuerste Radreise war am Canal du Midi (Südfrankreich).

4.    Anfahrt und Transport des Fahrrades
Die gute Nachricht zuerst: Keine Probleme gibt es in der Regel beim Rad-Transport in Fähren. Das Fahrrad im Zug mitzunehmen, erweist sich hingegen häufig als mühsam. Im Ausland ist teilweise noch komplizierter als in Österreich. Eine gewisse Sturheit, gepaart mit (vorgeschützter) Unkenntnis der Landessprache hat sich in Notfällen recht gut bewährt.
Flugzeug: Es empfiehlt sich, auf komfortable und möglichst direkte Verbindungen Wert zu legen. Die Tarife für den Radtransport sind unterschiedlich. Ebenso die Voraussetzungen für die Rad-Mitnahme. Luft aus den Reifen lassen, Pedale abmontieren und Lenker querstellen sind die Mindestanforderungen. Manche Fluglinien erlauben das „unverpackte“ Mitnehmen der Räder, was wir bevorzugen. (Mit einem Radkoffer am Rücken fährt es sich schlecht von Porto nach Lissabon über die Berge im Landesinneren.) Air France stellt als einzige Fluglinie (gegen eine geringe Gebühr) am Abflughafen einen Radkarton zur Verfügung.
In mehreren Fällen kam es zu Beschädigungen beim Transport (verbogene Kotflügel, Achter, verbogene Bremsscheiben bis hin zu einem völlig demolierten Rahmen). Beim Lost-and-Found-Schalter ließen wir den jeweiligen Schaden registrieren, der Schaden wurde von den Airlines in allen Fällen bezahlt.

5.    Das richtige Fahrrad
Unsere Trekking-Räder muss für alle Einsatzzwecke (Alltag, Kurz- und Langstrecken) herhalten und sind mit 16 Kilogramm Gewicht ziemlich schwer. Vor und nach den Reisen kommen sie zum Service. Ein kleines Sortiment an Ersatzteilen (Bremsbeläge, Schlauch, Seilzüge) ist im Gepäck. Als besonders vorteilhaft haben sich die unplattbaren Mäntel von Schwalbe erwiesen. Der letzte Patschen ist eine Ewigkeit her, sodass wir wahrscheinlich gar nicht mehr wissen, wie das Picken geht.

6.    Die richtigen Begleiter
Menschen haben ganz unterschiedliche Vorstellung von einer Radreise: der eine will „Luxus pur im Sterne-Hotel“, die andere will Spontanität und „am Morgen nicht wissen, wo sie am Abend sein wird“. Es gibt jene, die Ruhe und Abgeschiedenheit suchen und jene, die möglichst viele Kilometer und Höhenmeter machen wollen. Es macht Sinn, diese Erwartungshaltungen schon im Vorfeld abzuklären.

7.    Das Gepäck
Unser Radreisekrimskrams steckt seit Jahrzehnten in Ortlieb-Taschen. Pro Person zwei Backroller mit insgesamt zwölf bis fünfzehn Kilogramm Ladung. Bei Flügen geben wir pro Person eine Radtasche auf – da kommen Flüssigkeiten, Werkzeuge und dergleichen rein. Die zweite Radtasche ist unser Handgepäck. Beim Gewand sind wir sehr sparsam. Vieles ist aus leichten und schnell trocknenden Materialien. Wir verpacken das in einzelnen Plastiksäcken mit Clips (Radgewand, Regen/Kältegewand, Badesachen, …), damit man nicht immer alles umrühren muss, wenn man ein T-Shirt sucht. Toilette-Artikel nehmen wir in kleinen Einheiten mit.

8.    Sicherheit:
Gefährliche Situationen entstehen meistens durch motorisierte Fahrzeuge: Tasmanische Holztransporter, Wohnmobile, Stadteinfahrten während des Stoßverkehrs. Mit einer vorausschauenden Routenwahl lassen sich besonders gefährliche Straßen vermeiden. Zum Thema „Raddiebstahl“: In vielen Unterkünften gibt es geeignete Plätze, um die Fahrräder sicher abzustellen. Tagsüber verwenden wir Bügelschlösser, wenn wir unsere Räder irgendwo stehen lassen. Für den Fall der Fälle haben wir einen kleinen Erste Hilfe-Kit, die Notrufnummern des jeweiligen Landes, ein Formular für einen Unfallbericht und die VCÖ-AktivMobil-Versicherung.

9. Essen und Trinken:
Den Reiz einer Radreise macht es aus, das Land mit allen Sinnen zu erfahren. Dazu gehört auch das Essen, dem wir ungehemmt frönen. Immerhin bewegen wir uns täglich viele Stunden. Für untertags kaufen wir meist eine Jause aus regionalen Produkten. Abends probieren wir in einem Restaurant die Spezialitäten. Während der Fahrt ist es wichtig, genügend Flüssigkeit mitzuhaben. In zahlreichen Regionen gibt es Brunnen am Wegesrand. Tipp: auf Friedhöfen gibt es immer Wasser! Obst und Trinkjoghurt (in Bulgarien und der Türkei gesalzen, genannt Ayran) bringen Abwechslung in die Flüssigkeitszufuhr.

10. Reiseaufzeichnungen und Nachbearbeitung
Um die Vielfalt der Eindrücke festzuhalten, empfiehlt sich das Führen eines Reisetagebuchs. Ein Blog ermöglicht die fast tagesaktuelle Information der Daheimgebliebenen. Sehr praktisch dafür ist das zunehmende Angebot an kostenlosem W-Lan/WIFI. Während es in den südosteuropäischen Ländern wie Bulgarien, Mazedonien, Rumänien übrigens kaum ein Problem war, in der Unterkunft, im Restaurant oder Kaffeehaus einen Zugang ins Internet zu bekommen, war es zuletzt in Frankreich schon schwieriger und die Qualität oft auch schlecht.

Die Aufbereitung der Fotos und die Durchsicht der Notizen ist jedenfalls eine Tätigkeit, die auch lange nach Ende einer Reise an dunklen Winterabenden Freude bereitet. Womit wir wieder bei Punkt Eins dieser Liste angelangt wären…

Illustration: Lysanne Bellemare

Illustration: Lysanne Bellemare